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BASEL/ Theater: DIE WALKÜRE. Premiere

18.09.2023 | Oper international

Theater Basel: Wagner: «Die Walküre», Pr. 16.9.2023

wert
Ric Furman als Siegmund, Theresa Kronthaler als Sieglinde, Photo: © Ingo Höhn

 Kurz nach der Premiere von Rheingold am 9.9. (siehe meine Kritik) folgt die Walküre als zweite Staffel der Family-Soap. Auch hier werden die Zeitebenen und Generationen wieder vermischt, so rennt der kleine Siegfried (eigentlich noch nicht geboren) munter weiter über die Bühne, deren Walhall immer noch ein eher depressiv stimmender Rohbau eines Luxus-Penthouses ist, mitsamt (durch Wotans Holzhacken noch reduzierter) kahler Weltesche vor schwarzem Hintergrund (Bühne: Natascha von Steiger).

Wieder erzählt Brünnhilde die Familiensaga aus dem Off als Rückblende, soweit verständlich. Dass aber ständig fast alle Protagonisten auf der Bühne herumwuseln müssen, ist eher störend. Was mischt sich Wotan in die Liebesszene zwischen Sieglinde und Siegmund ein? Warum sitzen Siegmund, Siegfried und Wotan zusammen an einem Tisch? Was fuchtelt Fricka dauernd im Hintergrund herum? Warum muss Wotan Hunding ablenken, reicht das Schlafmittel nicht?

Sieglinde (Theresa Kronthaler, interessanterweise Mezzo-Sopran, steigert sich im Laufe des Abends) ist ein Opfer häuslicher Gewalt durch den brutalen Hunding (ein starker Auftritt von Artyom Wasnetosov). Eine echte Entdeckung ist zudem Tenor Ric Furman als Siegmund, mit klarer Diktion und voller Stimme (der Wälse-Ruf verfehlt seine Wirkung nicht), der für einmal nichts Zögerliches an sich hat. Schade, dass die Liebesszene der Inszenierung (Regie: Benedikt von Peter, Co-Regie: Caterina Cianfarini) zum Opfer fällt.

Im zweiten Akt ist die Bühne dann dankenswerterweise leerer, der Ehekrach zwischen der überzeugend keifenden Fricka (Solenn’ Lavanant Linke hat sich von der Lieblichkeit ihrer Stimme aus dem Rheingold erfolgreich versabschiedet) und ihrem Gatten ist mehr als realistisch. Überhaupt singt und spielt Nathan Berg als Wotan den von Geld- und Familienproblemen geplagten Patriarchen wiederum grandios. Dass er gegen die streitsüchtige Gattin den Kürzeren zieht und sich den Gehorsam seiner Kinder auch nicht mehr erhalten kann – we sympahtize.

Die wilde Horde der Walküren (Lucie Peyramaure, Sarah Marie Kramer, Sarah Brady, Jasmin Etezadzadeh, Valentina Stadler, Camille Sherman, Sophie Kidwell, Marta Herman) ist überzeugend, die Pistolenschüsse stören aber eher. Trine Møller als Brünnhilde muss sich erst aus ihrer steifen Statisten-Rolle aus dem Rheingold befreien, singt und spielt aber zusehends dynamischer. Die Schlussszene mit Papa Wotan ist dann doch endlich berührend.

Wieder spielt das Sinfonieorchester Basel unter dem ausgezeichneten Dirigat von Jonathan Nott unter der Bühne, und tatsächlich – man hat sich an den etwas «unterweltlichen» Ton gewöhnt – kommt jetzt Festspielhaus-Feeling in Basel auf. Nur den Walkürenritt hätte man sich etwas pompöser gewünscht.

Und das Publikum? Die Basler Wagnerianer amüsieren sich darüber, dass die Helden im Nibelheim-Loch entsorgt werden, und identifizieren jubelnd Wotans Outfit mit Schlapphut und Koffer als Vorblende auf den Wanderer, die anderen sind zeitweise verloren, aber trotzdem glücklich. Und so langsam (er)schliesst sich auch dem Letzten der Ring des Regiekonzepts (oder umgekehrt).

Wie die kleine Brünnhilde von Wotan liebevoll auf ein (echtes) Pferd gesetzt wird, wie Erda Brünnhilde zudeckt oder der noch nicht geborene kleine Siegfried am Schluss von Mime behutsam weggetragen wird, da kommen durchaus Emotionen auf. Auch dass der Flammenhügel um Brünnhilde eigentlich das Baugerippe von Walhall ist (ob die Renovationskosten im Rheingold-Deal enthalten sind?): Alles vergeben, da Basel wirklich komplett – auch dank geschicktem Standortmarketing (mit Bayreuther Bier und Nürnberger Würstelständen) und unzähligen Festivalaktivitäten – im Wagnerfieber angekommen ist, sich schon als Schweizer Bayreuth-Dependance fühlt, und wirklich jeder Basler Spatz den Walkürenritt von den Dächern pfeift.

Alice Matheson

 

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