Joseph Haydn: Die Schöpfung • Theater Basel • Vorstellung: 05.06.2023
(8. Vorstellung • Premiere am 22.04.2023)
«Die Schöpfung» als Referenz-Aufführung
Die aktuelle Basler Produktion von Haydns «Die Schöpfung» entwickelt sich in Sachen szenischer Umsetzung eines Oratoriums wie musikalischer Ausführung zur Referenz-Produktion. Selbst der in diesen Dingen sonst eher skeptische Kritiker ist begeistert.
Foto © Judith Schlosser
Für «Die Schöpfung» arbeitet Thomas Verstraeten (Inszenierung und Bühne) mit den Gymnasien von Muttenz und Oberwil zusammen, die mit diesem Projekt ihr 50-jähriges Jubiläum feiern. Daraus entstand auch durch die Integration der heute essentiell zur Jugend-Kultur gehörenden Smartphones ein multimedialer Abend aus Theater und Film. Das Theater wird an diesem Abend zur moralischen Anstalt und um intellektuell, moralisch und emotional auf das Publikum einzuwirken, arbeitet Verstraeten mit Verfremdung geschieht durch Inklusion. Eine Kurzfassung von Haydns Meisterwerk (Arrangements Schöpfung im Foyer: Daniel Brenner) eröffnet den Abend im Foyer. Die 25 Minuten auf einer traditionellen Guckkastenbühne, mit barockisierenden Kulissen und Kostümen (Kostüme: Sietske Van Aerde) werden (Musikalische Leitung Foyer: Christoph Huldi, Samuel Strub) allein von den Gymnasiasten als Solisten und in Chor und Orchester bestritten. Nur dies verdient schon ein grosses Kompliment, das unter Berücksichtigung von Engagement und Talent noch um Vieles grösser wird. Bravissimi!
Mit dem Wechsel in den Zuschauerraum und auf die grosse Bühne ist das Engagement der Jugendlichen aber noch längst nicht beendet. Während im grossen Saal die klassische Schöpfung aufgeführt wird, schwärmt die Jugend in die Stadt aus und dokumentiert ihren Abend mit den Smartphones, deren Bilder live in den Saal übertragen werden. Wäre das Publikum im grossen Saal nicht so erfreulich bunt gemischt, könnte man fast annehmen, man hätte hier mit dem Gegensatz Alt (im Theater) und Jung (in der Stadt) arbeiten wollen. Die Schüler sind am Schluss der Aufführung wieder zurück im Theater und übernehmen die Gestaltung des Danks im Garten Eden und im Paradies.
Noémi Müller als Adam und Natalia Kujawa als Eva, sie seien stellvertretend für alle Schüler genannt, preisen ihre Liebe im Garten Eden beim gemeinsamen Frühstück mit Haferdrink und Müsli in Adams Wohnung. Und diese «Wohnung» befindet sich, bis zum Schluss verdeckt, auf der Bühne des Theaters. Beim Schlusschor werden die Schüler von Chor und Extrachor des Theater Basel unterstützt.
Das La Cetra Barockorchester Basel spielt an diesem Abend sensationelle Weltklasse. Jörg Halubek (Musikalische Leitung) hat die Klänge perfekt austariert und die Musiker folgen ihm mit traumwandlerischer Sicherheit. Der klassisch ausgeglichene Wohlklang entwickelt rauschhafte Qualitäten. In diesen Sphären bewegen sich auch Chor und Extrachor des Theater Basel, perfekt vorbeireitet von Michael Clark.
Alle drei Solisten, Álfheiður Erla Guðmundsdóttir als Gabriel / Eva, Ronan Caillet als Uriel und Alex Rosen Raphael / Adam überzeugen mit einer sensationellen, kaum je gehörten Textverständlichkeit und einer wunderbar schlanken, eleganten Tongebung.
Eine so perfekte Aufführung wird man so schnell nicht wieder erleben: Uneingeschränkte Empfehlung!
Weitere Aufführungen: Di. 13.06.2023, 19:30; Do. 15.06.2023, 19:30; Sa. 17.06.2023, 19:30.
06.06.2023, Jan Krobot/Zürich