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BASEL/ Theater: CARMEN. -So ein Zirkus!. Premiere

06.02.2024 | Oper international

Theater Basel: Bizet: «Carmen» – Pr. 3.2. 2024

So ein Zirkus!

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Foto @ Ingo Hoehn

 Schon lange musste sich der fleissige Opernbesucher von der traumhaften Szenerie verabschieden, die Bizet eigentlich vorgesehen hatte: Wehmütig erinnert man sich an die letzte Zigarettenfabrik, die auch danach aussah, an das letzte Mal als die Arbeiterinnen noch spanisch, weiblich und sexy aussahen und die Stierkämpfer tatsächlich wie Toreros auftraten.

 So erstaunt es niemanden, dass Regisseurin/Choreographin Constanza Macras Carmen nicht mehr als Zigeunerin (der Ausdruck ist ja sowieso gecancelt) sondern als Zirkusdomteuse auftreten lässt (kriechende Raubtiere inklusive). Die Zirkustruppe sieht zwar eher aus wie eine Transvestitenparty à la «Cage aux Folles», und die Tanzeinlagen wirken eher unbeholfen, aber erträglich.

 Irritiert ist man erst durch die düster-geschlechtslosen Outfits der Arbeiterinnen, die mit gesenkten Köpfen aus der Fabrik schleichen: Dass die Flirterei mit den Soldaten da ins Wasser fällt, ist klar – die Frauen sind hiermit eindeutig als Opfer gekennzeichnet. Carmens berühmte Verführungsszene im Gefängnis fällt ebenso der polical correctness zum Opfer – wie schade.

 Dass die Liebesszene ohne geworfene Blume und die Kartenszene ohne Karten auskommt, die Schmugglerbar in den Bergen ein Zirkuszelt ist, die Schlussszene vor demselben Zirkuszelt statt vor der Stierkampfarena stattfindet – akzeptiert. Dass Don Jose seine Schlussszene im lächerlichen Clownoutfit singen und spielen muss, ist dann nur folgerichtig.

 Aber dabei belässt es Macras nicht. Es muss partout das Thema Gewalt an Frauen abgehandelt werden, und so wird von der Suffragettenbewegung bis zu neueren südamerikanischen Frauenpower-Demonstrationen gegen Femizide alles an die Leinwand geworfen, was es zu dem Thema gibt, inklusive Abspann mit Namenslisten von ermordeten Frauen. Dies hat zwar den erhofften Schockeffekt, ist aber mit dem Grundtenor der Oper, in der die Frauen eigentlich die Stärkeren sind, nicht ganz zu vereinbaren.

 Die Mischung aus Zirkusveranstaltung und Femiziden, zusätzlich zu stark verfremdenden Elementen (Michaela als Unschuld vom Lande im Glamouroutfit, im Hintergrund Videos von Hausfrauen aus den 60ern) in Kombination mit den auf Englisch gehaltenen Dialogen machen diese Vorführung aber nur schwer erträglich.

 Schade, denn die Stimmen sind sensationell: Allen voran Rachel Wilson als Carmen mit äusserst dramatischem Mezzosopran und leidenschaftlichem Spiel und Sarah Brady als Michaëla mit einer fast zu dramatischen Stimme für die Partie. Edgaras Montvidas als Don José ist durchwegs überzeugend, während Kyu Choi als Escamillo etwas dynamischer spielen könnte, aber makellos singt. Inna Fedorii als Frasquita und Camille Sherman als Mercédès seien auch positiv erwähnt.

 Der Chor und der Extrachor des Theater Basel singen sensationell, ebenso wie die Mädchenkantorei Basel, allesamt von Michael Clark geleitet. Dirigent Maxime Pascal und das auf höchstem Niveau spielende Sinfonieorchester Basel nehmen der Musik die Schwülstigkeit und lassen den Stimmen Raum, wobei die Instrumentalpassagen durchaus etwas pompöser hätte sein können, das Tempo ist aber rassig.

 Wieder einmal ein Fall für: Augen zu und geniessen.

Alice Matheson

 

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