Basel: Theater Basel, Grosse Bühne – Sinfoniekonzert SOB – „Nachtigall“ – Sinfonieorchester Basel – Bertrand Chamayou, Klavier – Antoine Lederlin, Violoncello – Ivor Bolton, Leitung – 06.06.18 (Besuchte Aufführung), 07.06.18
Zum Saisonende präsentiert das Sinfonieorchester Basel (SOB) ein stimmungsvolles Spätfrühlingskonzert und kann unter grossartigen akustischen Verhältnissen der Grossen Bühne am Theater Basel nochmals sämtliche musikalischen Register ziehen. Eröffnet wird das Saisonfinale mit Gabriel Faurés „Prélude zu Pénelopé“ (1912), die emotionale, getragene Ouverture zu Faurés gleichnamiger Oper, aus welcher durchaus ein Touch „Tristan“ spürbar ist, ohne dass Fauré direkt auf Wagner zurückgreift. Das SOB unter der Leitung von Ivor Bolton geht das Stück äusserst meditativ an, steigert sich zum dramatischen Höhepunkt und findet dann in die Stille zurück. Es entsteht ein grosser Spannungsbogen, welcher vom Orchester äusserst sensibel umgesetzt wird.
Ich kann es vorweg nehmen: Wie Bertrand Chamayou das „Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 g-Moll, op. 22 (1868)“ von Camille Saint-Saëns umsetzt, ist schlicht und ergreifend grossartig. Bereits nach dem rasanten Solostart ist klar, diese Aufführung wird etwas ganz besonderes. Der Pianist besticht durch fingerbrecherische Brillanz in den Läufen und äusserst sensible Gestaltung. Gerade der zweite Satz gerät dank der leichten, vergnügten Verspieltheit des Pianisten zu dem, was die Bezeichnung „Allegro scherzando“ auch tatsächlich verdient. Das Zusammenspiel zwischen Orchester und dem Solisten funktioniert. Das SOB steht dem Solisten an Glanz, Musikalität und Virtuosität um nichts nach. Da stimmt alles. Ivor Bolton achtet auf zügige Tempi und differenziertes Musizieren. Die feinen Stellen geraten besonders sensibel, die dramatischen Passagen ertönen als gewaltige, mitreissende Klangwogen – einfach wunderbar (und das ist eigentlich eine Untertreibung …)
Wie gut, dass die Musikwissenschaftlerin Natalia Braginskaya im Hinterzimmer (!) eines Archives beim wissenschaftlichen Stöbern 2015 die Orchesterstimmen von Igor Strawinskys „Chant funèbre (1908)“ entdeckte und daraus die Partitur rekonstruierte. Sonst wäre dieses ergreifende Werk nach seiner Uraufführung am 17. Januar 1909 wohl für immer durch die Wirren der Russischen Revolution in der Versenkung verschwunden und in Vergessenheit geraten. Das Werk wurde anlässlich des Gedenkkonzertes für Rimski-Korsakow aufgeführt und bringt eindrücklich zum Ausdruck, wie tief Strawinsky der Tod seines ehemaligen Lehrers getroffen haben muss. Diese Stimmung setzt Ivor Bolton mit dem Sinfonieorchester Basel gekonnt um. Das Orchester musiziert kompakt. Auch hier achten Dirigent und Orchester auf den dramatischen Aufbau des Werkes und arbeiten die Stimmungen mit enormer Emotionalität heraus. Die Soloinstrumente können sich voll entfalten, die Begleitstimmen unterstützen und verstärken dadurch die Emotionalität.
Es kommt immer wieder vor, dass Musiker des SOB solistisch einen Teil des Konzertes bestreiten – und das ist eine wirklich feine Sache! Heuer kommt Cellist Antoine Lederlin, seit 2003 Solo-Cellist im SOB, zum Zug. Mit seinem ergreifenden, warmen Cellospiel ist er eine wunderbare Besetzung für Gabriel Faurés „Elégie, op. 24 (1895)“. Gleich zu Beginn entsteht eine wunderbare Harmonie zwischen Cello und Flöte. Mit grosser Sensibilität steigert sich Lederlin aus der elegischen Ruhe hin zur dramatischen Leidenschaft, um dann gefühlsvoll wieder in die Ruhe zurückzukehren. Lederlin begeistert durch ausgezeichnete Technik und grosse Emotion beim Musizieren.
Den Schlusspunkt setzt das SOB mit Strawinksys „Chant du rossignol (1914/17)“, dessen Manuskript sich übrigens im Besitz der Basler Paul Sacher Stiftung befindet. Es gelingt eine dynamische Aufführung, wobei die äusserste Präzision der Flöten, die absolut reinen Piani der Solotrompete sowie der sensible Vortrag der Solo-Violine besonders hervorzuheben sind.
Ein wunderbares Ende einer verdient erfolgreichen Konzertsaison mit dem Sinfonieorchester Basel! Der jubelnde grosse Applaus des Publikums zeigt dem SOB, dass es sich in jeder Hinsicht auf dem richtigen Weg befindet. Wir freuen uns auf die Saison 2018/19!
Michael Hug