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BASEL/ Theater Basel: LA TRAVIATA – Eine Regietheater-Performance nach Verdis «La Traviata»

04.12.2021 | Oper international

Giuseppe Verdi: La Traviata • Theater Basel • Vorstellung: 03.12.2021

 (Produktion: Staatsoper Hannover; 5. Vorstellung • Premiere am 14.11.2021)

 Eine Regietheater-Performance nach Verdis «La Traviata»

Nach Hannover, Bremen und Luzern macht Benedikt von Peters Inszenierung von «La Traviata» nun in Basel Station. In der Hauptrolle, auf Grund des Inszenierungskonzepts kaum anders möglich und, nach dem Besuch der Vorstellung auch kaum anders denkbar, wiederum mit Nicole Chevalier.

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Foto © Ingo Hoehn

Benedikt von Peters Konzept nur Violetta Valery auf der Bühne zu zeigen, den Blick auf die Titelrolle zu fokussieren, ist zweifelsohne reizvoll. Leider hapert es an der Umsetzung. Idee und Konzept des Regisseurs überlagern die Intentionen des Komponisten, die bei einer unvoreingenommenen Lektüre des Libretto ohne weiteres zu identifizieren gewesen wären. Thema von «La Traviata» sind nicht die Liebe und nicht die Einsamkeit der Titelfigur, sondern die Doppelmoral der «feinen» Gesellschaft. Und diese Doppelmoral wird am Thema Liebe (verstanden im weitesten Sinn) exponiert. Violetta Valery ist als Kurtisane (und nicht wie im Programmheft fälschlicherweise als Prostituierte bezeichnet) eine Randständige, die nicht das Recht auf wahre, ehrliche Gefühle hat. Sie soll Alfredo beibringen, was er zu machen hat, wenn er denn heiratet. Dass sie Gefühle für Alfredo entwickelt, ist eine Betriebsunfall, den der Vater sofort zu korrigieren versucht. Die Fokussierung auf die «Liebes-Einsamkeit» Violettas ist letztlich eine unsachgemässe Psychologisierung des Stücks. Violetta sucht die Liebe gerade nicht, das Geliebt-Werden ist gerade nicht ihr zentrales Thema: Darum verwirren sie ihre Gefühle ja so und darum kehrt sie so rasch in ihr altes Leben zurück. Bedenkt man, dass dies das Leben einer Kurtisane ist, stellt sich die Frage, wieso Violetta und Alfredo zusammenkommen, gar nicht erst. Dann erklärt sich auch, warum Alfredo über ein Jahr lang jeden Abend an Violettas Tür erschienen ist: er soll von ihr ja die «éducation sentimentale» bekommen, die er als Stürmer und Dränger nötig hat.

Als Regietheater-Performance funktioniert der Abend bestens und beeindruckt in seiner Intensität. Er bedient den Voyeurismus der Gegenwart, es lassen sich Verbindungen zu Hitchcocks «Das Fenster zum Hof» und ähnlichen Filmen ziehen. Die Themen «Liebe» und «Einsamkeit» werden brandaktuell verhandelt.

Die Bühne von Katrin Wittig ist dem Regiekonzept entsprechend schlicht gehalten. Nach hinten trennt ein Gaze-Vorhang das Orchester ab, als Versatzstücke finden sich auf der Bühne ein Fenster, eine Tür, ein stummer Diener mit Spiegel und ein Tablett mit Champagner-Gläsern. Violetta Valerys Kostüme verantwortet Geraldine Arnold, das Lichtdesign kommt von Susanne Reinhardt.

Der Abend steht und fällt natürlich mit Nicole Chevalier als Violetta Valéry. Ihre Leistung ist schlicht bewundernswert. Die Stimme ist bestens geführt und trägt im ganzen Haus. Auch nach über zwei Stunden auf der Bühne gestaltet sie die Partie noch lodernd intensiv, verkörpert sie mit jeder Faser. In jedem Moment ist zu spüren, dass diese szenische Erscheinung der Violetta Valery ihr auf den Leib konzipiert wurde. Ihre Partner Arthur Espiritu als Alfredo Germont und Noël Bouley als Giorgio Germont gestalten ihre Partien ebenso leidenschaftlich engagiert, aber mit viel Vibrato und einigen stilistischen Unstimmigkeiten. Ena Pongrac als Flora Bervoix, Jasmin Etezadzadeh als Annina, Karl-Heinz Brandt als Gastone und Giuseppe, Kyu Choi als Il Barone Douphol, Mkhanyiseli Mlombi als Marchese d’Obigny und Andrew Murphy als Dottore Grenvil und Commissionario.

Michael Clark hat den Chor des Theater Basel bestens vorbereitet. Das Sinfonieorchester Basel spielt die Partitur höchst konzentriert, wird aber von den arg bedächtigen Tempi Tito Ceccherinis gebremst. Es will nicht so recht Stimmung aufkommen, das Spiel wirkt, als buchstabiert, als wolle man nur ja alles richtig machen. Es dürfte ruhig etwas mehr Leidenschaft sein.

Weitere Aufführungen: 05.12.2021, 11.12.2021, und 08.01.2022.

03.12.2021, Jan Krobot/Zürich

 

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