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BASEL/ Stadttheater: ELEKTRA – Premiere

14.01.2018 | Oper

Basel / Stadttheater: „ELEKTRA“ – Premiere am 12.1.2018

Bild Elektra Basel
Rachel Nicholls . © Sandra Then

 

Die Beklemmtheit des Zuschauers stellt sich unmittelbar ein: Man wähnt sich in einem überdimensionalen vor Blut triefenden Schlachthaus, mit abgerundeten unteren Ecken, als sässe man selbst in einer Wanne voll Blut (Bühne: Patrick Bannwart, Maria Wolgast). An die Wand ist „Mama, where is Papa?“ mit Blut geschmiert. Im Laufe der Handlung hängen gehäutete Tieropfer von der Decke, laufen Opferschlächter in Metzgeroutfits herum, und zu guter Letzt wankt eine Klytämnestra über die Bühne, deren Arme durch Schläuche mit ihren Opfertieren verbunden sind, als würden deren Blutinfusionen sie reinwaschen von dem Gattenmord.

Und das ist nicht einmal das Beklemmendste an dieser Inszenierung, die von David Bösch für die Opera Vlaandern in Antwerpen konzipiert, dann am Aalto Theater in Essen gezeigt, und schliesslich für das Theater Basel neu einstudiert wurde.

Vielmehr ist es der Rückzug der Elektra ins Frühkindliche, unterstützt durch die Kindermöbel und Spielsachen, der einen erschauern lässt. Nicht eine gestandene Frau empfängt uns als rachsüchtige Tochter, sondern ein junges dünnes Mädchen, schon fast dem Irrsinn verfallen, das sich in seine heile Vergangenheit flüchtet, als der Vater noch lebte, und sie noch ein kleines Mädchen war (passend dazu ein Foto von Vater und Tochter umhertragend). Zuviel war es für die Kinderseele, den Mord am Vater mitangesehen zu haben. Da kauert sich die Kleine in Embryostellung in ihr Kinderbettchen, ersticht ihre Puppe, schaukelt auf dem Schaukelpferd und setzt sich mit Orest auf die viel zu kleinen Kinderstühle. Die britische Sopranistin Rachel Nicholls verkörpert diese kindliche, umherhüpfende Elektra aufs Trefflichste. Nicholls Stimme ist für so ein Persönchen unerwartet kraftvoll und hochdramatisch, und die Sängerin hält diese Monster-Partie nicht nur tapfer durch, sondern steigert sich stimmlich sogar zusehends. Wie sie Aegisth in die Falle lockt ist ausserdem eine schauspielerische Glanzleistung.

Eine stimmliche Entdeckung war auch Pauliina Linnosaari als Elektras weniger radikale Schwester Chrysothemis, der zwar schon von der Partitur die lieblicheren Klänge als ihrer Schwester geschenkt wurden, die diese aber auch konzentriert und mit wunderschöner glasklarer Stimme abliefert, obwohl sie manchmal gegen das Orchester kämpfen muss (aber gewinnt). Die Bühnenpräsenz von Ursula Hesse von den Steinen als Klytämnestra ist kaum zu toppen, die Infusionsschläuche würden weniger versierte Schauspieler behindern, bei ihr reichen wenige Bewegungen, um der von Albträumen geplagten Seele Ausdruck zu verleihen, ihre volle Mezzosopranstimme und ihre ausgezeichnete Diktion hinterlassen bleibenden Eindruck. Ihr schwarzes Glitzerabendkleid steht dabei im gleichen krassen Gegensatz zu Elektras simplem, blutbeschmierten weissen Hängerchen wie der piekfeine Anzug des Aegisth zum schäbigen Mantel des Orest (Kostüme: Meentje Nielsen).

Michael Kupfer-Radecky spielt und singt seinen Orest eher verhalten, bei ihm läge zumindest stimmlich sicher mehr drin. Hingegen ist Rolf Romei als Aegisth in der Form seines Lebens und zeigt an diesem Abend eine fantastische Stimme und vollen Körpereinsatz.

Erik Nielsen dirigiert das beinahe vollständige Sinfonieorchester Basel temperamentvoll und zügig und schafft es, bis auf einige wenige anfängliche Abstimmungsschwierigkeiten, den Sängern genügend Raum zu verschaffen, bei Strauss nicht ganz einfach.

Fazit: Nichts für schwache Mägen, aber absolut sehens- und hörenswert.

Alice Matheson

 

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