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BASEL/ Stadtcasino: «Wildost» – Sinfonieorchester Basel (SOB), Pablo Ferrandez (Violoncello), Krzysztof Urbanski (Leitung)

21.10.2021 | Konzert/Liederabende

Basel: Stadtcasino Basel – «Wildost» – Sinfonieorchester Basel (SOB), Pablo Ferrandez (Violoncello), Krzysztof Urbanski (Leitung)

 – 20.10.2021

Drama und Liebreiz – musikalisch-malerisch

Der Osten steht in Sachen Wildheit dem «wilden» Westen in gar nichts nach – nur liegen die Themen zuweilen auseinander. Wird der Begriff «Wildwest» – nicht zuletzt dank dem amerikanischen Filmschaffen – vielfach mit der Auseinandersetzung zwischen Cowboys, Indianern, Good- und Bad-Guys in Verbindung gebracht, so kommen bei «Wildost» die Auseinandersetzung zwischen Individuum und politischem System zum Tragen. Eines haben «Wildwest» und «Wildost» jedoch gemein: die bedingungslose Liebe zu den jeweiligen landschaftlichen Schönheiten. All dies wird – auf «beiden Seiten» – durch geniale Komponisten in Form von Musik auf eindrücklichste Weise dargestellt.

Das zweite Sinfoniekonzert des Sinfonieorchesters Basel (SOB) setzt sich unter der Leitung des jungen polnischen Dirigenten Krzysztof Urbanski mit östlicher Geschichte, Kultur und Landschaft auseinander und beginnt damit mit dem neunminütigen Orchesterstück «Orawa», welches Wojciech Kilar 1986 für Streichorchester komponiert hat. Das kleine Werk ist das letzte Stück eines kleinen Karpaten-Zyklus, welcher das Podhale, Landschaft des südpolnischen Hochlands, zum Thema hat. Die Violinen und Bratschen stellen zu Beginn das kurze Motiv vor. Die übrigen Streicher nehmen das Motiv auf und variieren es. Das Grundmotiv wird dabei – ganz im Stil der Minimalmusic – ununterbrochen wiederholt. Maestro Urbanski zaubert einen innerlich differenzierten, fantastisch phrasierten Bilderbogen. Er gibt exakte Einsätze und scheint gerade in den leisen Passagen mit seiner grossen Gestik den Aufführenden die Töne aus den Instrumenten zu ziehen. Hochverdienter riesiger Jubel im Publikum für die ersten neun Minuten, welchen die darob freudig überraschten Aufführenden dankbar entgegennehmen.

In seinen einleitenden Worten zum nächsten Stück erläutert Dirgent Urbanski die Bedeutung des Begriffs «Concerto». Hergeleitet aus dem lateinischen bedeutet der nämlich sowohl «kämpfen, wetteifern, streiten, disputieren» als auch «mit jemandem zusammenwirken». Letzteres ist ja bei einer Grosszahl von Konzerten der Fall. Nicht aber beim «Konzert für Violoncello und Orchester», welches Witold Lutoslawski 1969/1970 komponierte. Nach einem gut 5-minütigem Solo-Einstieg des Cellos greifen die Blechbläser und dann wenig später das restliche Orchester aggressiv durch. Es entsteht eine wild geführte Auseinandersetzung zwischen dem Soloinstrument und dem Orchester. Kein Zeichen von Verständigung. Am Schluss des Werkes bleibt offen, ob eine «Vereinigung», wie sie die Bedeutung des italienischen Wortes «concertare (Concerto)» beinhaltet, stattfindet oder nicht. Das Werk lässt sich so durchaus als konfliktbeladene Auseinandersetzung zwischen Individuum und politischem System verstehen.

Der spanische Cellist Pablo Ferrandez führt Lutoslawskis Meisterwerk in Basel zum ersten Mal öffentlich auf. Kurz und gut: Ihm gelingt ein grosser Wurf! Bereits mit dem ersten Ton seines fünfminütigen Solos zieht der Solist das Publikum in seinen Bann, obwohl die Musik alles andere als eingänglich ist. Dirigent und Orchester halten die Spannung aufrecht. Es entsteht eine bedrohliche Mischung aus lauter Gewalt und unheimlicher Stille. Grossartig einstudiert und vom Solisten und Orchester outstanding umgesetzt.

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Gefeiert: Pablo Ferrandez am Violoncello (Foto: Michael Hug)

Nach der Pause erklingt die «Sinfonie Nr. 7 d-Moll, op. 70 (1885)» von Antonin Dvorak. Mit grosser, glaubwürdiger Gestik führt Krzysztof Urbanski das SOB durch das grosse Werk. Er liebt grosse musikalische Bogen und zeichnet diese mit seinem Taktstock buchstäblich vor. Maestro Urbanski malt Musik – so lässt sich das wohl am treffendsten beschreiben. Seine musikalischen Bilder erreichen so in strahlendster Qualität «Kopfkino und -radio» des Publikums. Einfach wunderbar!

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Gefeiert: Maestro Krzysztof Urbanski (Foto: Michael Hug)

Der riesige Schlussapplaus der musikbegeisterten Baslerinnen und Basler beinhaltet nebst dem Dank für diesen anspruchsvollen, beeindruckenden Konzertabend auch die Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen mit zwei Ausnahmekünstlern: Krzysztof Urbanski und Pablo Ferrandez.

 Michael Hug

 

 

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