Basel: Stadtcasino – Sinfonieorchester Basel (SOB) – “Vielsaitig” – Xavier de Maistre (Harfe), Ivor Bolton (musikalische Leitung)
– Konzert vom 11.09.2024
Beeindruckender, vielseitiger Auftakt zum fulminanten «Finale»
«Finale» – unter diesem Leitmotiv steht die kommende Konzertsaison des Sinfonieorchesters Basel (SOB) und Ivor Bolton, welcher sich nach dieser Spielzeit als Chefdirigent des SOB verabschiedet. Bevor es jedoch soweit ist, kommt es zu vielen musikalischen Höhepunkten, bei welchen eine Vielfalt grosser Meister und deren Werke zur Aufführung gelangt. So darf sich das Basler Konzertpublikum unter anderem bei Mahler und Beethoven jeweils auf die «Neunte» und bei Strauss auf die «Alpensinfonie» freuen. Zum Entdecken gibt es in Basel zeitgenössische Werke von Friedemann Treiber oder Florian Walser. Traditionsgemäss geben sich auch heuer eine Reihe erstklassiger Künstlerinnen und Künstler, wie die Sopranistin Regula Mühlemann, oder der Pianist Bertrand Chamayou oder Maestro Sir Mark Elder die Ehre. Wir sind gespannt – die Vorfreude ist gross!
Maestro Ivor Bolton (Foto: Benno Hunziker)
Bereits schon im ersten Konzert der neuen Saison setzen das Sinfonieorchester Basel und Chefdirigent Ivor Bolton die Messlatte sehr hoch. Eröffnet wird der Abend mit «Salve» aus der Feder des Basler Komponisten Andrea Lorenzo Scartazzini. Dieses kurze, eindrucksvolle Werk von zirka 7 Minuten Dauer wurde 2020 zur Wiedereröffnung des umgebauten Musiksaals des Basler Stadtcasinos uraufgeführt (Dich, teure Halle, grüss’ ich wieder …), und stellt gemäss dem Komponisten ein klingender Gruss ans Publikum und den Saal dar – gross, jedoch ohne kitschigen Pomp erklingt in dem Werk alles, was als «Salve» bezeichnet werden kann – die lateinische Grussformel, ein Ehrensalut oder auch Salutschüsse – feierlich und würdig. Inspiriert zu dem Werk wurde Scartazzini durch einen Besuch in Goethes Wohnhaus in Weimar, wo in der Türschwelle das Wort «Salve», dessen Bedeutung Scartazzini musikalisch variiert, als hölzerne Intarsie eingelassen ist. Spannungsgeladen, dramatisch und bei den Piani filigran bringen Orchester und Dirigent die Komposition dem geforderten aber dabei sichtlich beeindruckten Publikum zur Aufführung. Herausragend dabei die Perkussion und die kompakt aufspielenden Streicher. Der anwesende Komponist zeigt sich über diese gelungene Aufführung dankbar und begeistert.
Die Vielseitigkeit der Harfe präsentiert der französische Harfenist Xavier de Maistre, heuer «Artist in Residence» des SOB, bei seiner Aufführung des «Konzertes für Harfe und Orchester Es-Dur, op. 74» von Reinhold Moritzewitsch Glière. Wenn man es nicht wüsste, würde man dieses Werk nie und nimmer dem Jahr seiner Komposition, nämlich 1938 (!), sondern der späten Romantik zuordnen. Glière, russischer Komponist mit deutschen Wurzeln, komponierte mit diesem Konzert ein schöngeistiges und unpolitisches Werk, welches dadurch natürlich auch beim stalinistischen Politestablishment auf Wohlgefallen stiess. Mit melodischen Träumereien und sich an Tschaikowski und Rachmaninow anlehnend, erklingen romantische Wellen, bei welchen der Harfenist die herrliche Vielfalt der Harfe voll ausspielen kann. Die Harfe ist eben mehr als «nur» die Verfeinerung grosser Klangwogen des Orchesters. Xavier de Maistre gelingt eine technisch herausragende, virtuose und sensibel phrasierte Aufführung von Glières Konzert. Das SOB unter Maestro Bolton begleitet sensibel und verstärkt dabei die grosse musikalische Wirkung des Soloinstruments.
Konzentration und Leidenschaft: Xavier de Maistre (Foto: Benno Hunziker)
Eine besondere Stellung im Schaffen von Johannes Brahms stellt seine «Sinfonie Nr. 4 e-moll, op. 98 (1885)» dar. Dessen war sich auch der Komponist sehr wohl bewusst, schrieb er doch im Vorfeld an Hans von Bülow, seine Vierte «… schmeckt nach dem hiesigen Klima, die Kirschen hier werden nicht süss». Und prompt wurde das Werk bei seiner Uraufführung 1885 auch missverstanden und war weiten Kreisen zu abstrakt. Das hat sich zum Glück im Laufe der Zeit gewandelt; und zu Recht geniesst das Werk heute ungebrochene Beliebtheit. Ivor Bolton setzt dabei mit dem Sinfonieorchester Basel erneut auf grosse Klangbogen und differenzierten Ausdruck. Die einzelnen Instrumentengruppen harmonieren wunderbaren zusammen und erzeugen zusammen ein wunderbar abgestimmtes Gesamtklangerlebnis. Besonders fein fallen dabei – einmal mehr – die Holzbläser auf, welche insbesondere im ersten Satz in einen ergreifenden Dialog mit dem restlichen Orchester treten.
Das Sinfonieorchester Basel – bestens aufgegleist in die kommende Saison! (Foto: Benno Hunziker)
Fazit: Bereits am ersten Konzertabend präsentiert sich das SOB in bester «romantischer Stimmung» – allerbeste Vorzeichen also für die demnächst anstehenden Premièren von «Siegfried» und «Götterdämmerung» am Theater Basel!
Michael Hug