Basel: Stadtcasino Basel – Sinfonieorchester Basel (SOB) – «Siegfried» – Rachel Nicholls (Sopran), Wiebke Lehmkuhl (Alt), Simon O’ Neill (Tenor), Derek Welton (Bass-Bariton) – Sir Mark Elder (Leitung)
– 23.03.2023
Eine Wucht!
Leuchtende Liebe – lachender Tod: Derek Welton, Simon O’ Neill, Sir Mark Elder, Wiebke Lehmkuhl, Rachel Nicholls und das Sinfonieorchester Basel (Photo: Benno Hunziker)
Es ist nun schon ein paar Jahre her, seitdem der britische Dirigent Sir Mark Elder auf dem Podium des Sinfonieorchester Basel (SOB) stand. Damals musste noch ins Basler Münster ausgewichen werden, da das Stadtcasino Basel noch nicht fertig restauriert und renoviert war. Durch das alte Münster-Gemäuer schallten die mystischen Klänge des dritten Aufzuges Parsifal von Richard Wagner. Für die neuste Kooperation zwischen Elder und SOB wurde erneut eine Wagner-Oper ausgwählt. Auf dem Programm stand der dritte Aufzug Siegfried aus der Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“. Genauer gesagt handelt es sich dabei ein Bühnenfestspiel an drei Tagen mit einem Vorabend. Das von Wagner als Gesamtkunstwerk verstandene Epos wird ab der nächsten Spielzeit im Theater Basel zu erleben sein, weshalb dieser dritte Aufzug Siegfried gewissermassen als Auftakt oder Einstimmung auf das kommende Mammutprojekt gesehen werden kann.
Nun die Vorgeschichte und Handlung ganz kurz zusammengefasst: Am Schluss des dritten Aufzuges der Walküre wird Brünhilde vom Göttervater Wotan in tiefen Schlaf gelegt und in einen Feuerring eingeschlossen, da sie ihm nicht gehorcht hat. Dieser Feuerring kann nur von einem wahrlich furchtlosen Helden durchbrochen werden. Dieser wahrlich furchtlose Held namens Siegfrie ist des Göttervaters Enkel, welcher im Wald vom Zwergen Mime aufgezogen wird und von Kraft nur so strotzt. Das Fürchten hat er nie gelernt. Bis zum dritten Aufzug hat Siegfried schon einiges erlebt. Er hat das zerbrochene Schwert Notung seines Vaters neu geschmiedet, einen Drachen erlegt und ist nun im Besitz des Ringes, wessen Macht ihm natürlich nicht bewusst ist, da Siegfried generell keine Ahnung von den Dingen und Gesetzen der Welt hat. Der dritte Aufzug der Oper Siegfried beginnt mit dem Göttervater Wotan, der die Urmutter Erda um Rat bittet. Diese kann ihm jedoch nicht weiterhelfen und prophezeit das Ende der Götter. Darauf trifft Wotan auf seinen Enkel Siegfried, welcher ihm in seinem jugendlichen Leichtsinn keinerlei Respekt entgegnet. Siegfried zerschlägt Wotans Speer, was wiederrum verdeutlicht, dass er keinerlei Furcht verspürt. Wotan ist zufrieden, da er nun seine ganze Hoffnung auf Siegfried setzt und ihn als Erben der Götter einsetzen möchte, wenn der Held den Feuerring durchbrechen und Brünhilde wecken kann. Das geschieht auch und Brünhilde wird von Siegfried wachgeküsst, als dieser erkennt, dass die Schlummernde kein Mann ist. Brünhilde und Siegfried entdecken zunächst ängstlich ihre Gefühle zueinander, was schliesslich in einem rauschenden Liebsduett endet.
Schon die Umsetzung eines einzigen Aktes des Ringes, ist eine grosse Herausforderung. Es braucht erfahrene Sänger:Innen, die diese Partien stemmen können und eine musikalische Leitung, die es versteht das grosse Orchester zu bändigen und zu führen. Sir Mark Elder gelingt dies vollends. Die Orchesterleistung entpuppt sich an diesem Abend als grandios. Das SOB spielt differenziert, was durch die schiere Menge an Blechbläsern kein einfaches Unterfangen ist. Elder versteht es, das Orchester zurückzunehmen, um die Sänger:Innen zu unterstützen. Er entscheidet sich generell für ein breiteres Tempo und atmet mit den Solisten mit. Die Musik kommt dabei nie zum Stillstand und bleibt spannend. Die Streicher des SOB spielen wie aus einem Guss. Die Holzbläser durchdringen dabei die Streicher gekonnt und machen somit die Leitmotive hörbar. Diese Leitmotive geben dem Publikum Hinweise und Informationen, welche die Rollen auf der Bühne teilweise gar noch nicht wissen. Das Orchester erhält durch dies eine ganz andere Bedeutung und Wichtigkeit. Die Blechbläser trumpfen mit kraftvollen Salven und feinsten Piani. Elder scheut sich nicht die dynamischen Grenzen des Stadtcasions auszureizen. Der dritte Aufzug wird dadurch zu einem Klangerlebnis der höchsten Güte.
Nebst dem Orchester gilt es ebenfalls die Sänger:Innen zu loben. Derek Welton gibt den Göttervater Wotan und hat gleich zu Beginn des Aufzuges eine anspruchsvolle Partie zu bewältigen. Dies gelingt ihm beispielhaft. Mit seiner deutlichen Aussprache und tiefen, kernigen Stimme, ist er eine Idealbesetzung. Auch die Altistin Wiebke Lehmkuhl singt eine vorzügliche Erda und kann der Rolle die nötige Mystik verleihen. Die aus der jüngsten Elektra-Produktion des Theater Basels bestens bekannte Rachel Nicholls singt eine leidenschaftliche und jugendliche Brünhilde. Ihre Stimme durchdringt die Orchestermassen mühelos und die drei hohen C’s erreicht sie spielerisch. Es ist eine wahre Freude zu erleben, dass diese äusserst heikle Partie noch gesungen werden kann und nicht nur in lautem Geschrei endet. Simon O’Neill rundet das grossartige Sänger:Innen-Ensemble mit einem beispielhaften Siegfried ab. Der erfahrene Tenor singt die Partie nicht nur vorzüglich, sondern gibt jeder Phrase einen Ausdruck, was die Geschichte für das Publikum auf einer weiteren Ebene erlebbar macht. Dies ist Musiktheater auf höchstem Niveau.
Das sichtlich begeisterte Publikum bedankte sich bei allen Beteiligten mit tosendem Applaus. Nun bleibt zu hoffen, dass der kommende Basler Ring von ähnlicher Qualität sein wird.
Philipp Borghesi