Basel: Stadtcasino – Sinfonieorchester Basel (SOB) – “Domestica” – David Moreau (Violine), Edgar Moreau (Violoncello), Jérémie Moreau (Klavier), Robert Trevino (musikalische Leitung)
– Konzert vom 28.02.2024
Nicht nur familiär verbandelt …
«Familienbande» – so lautet das Motto der heurigen Konzertsaison des Sinfonieorchesters Basel (SOB). Das Leitthema trifft an diesem Konzert besonders zu. Insbesondere der Begriff der «Bande», werden dabei nicht nur familiäre, sondern auch solche zwischen den aufgeführten Komponisten geknüpft. Eine geschickte Strategie, welche keinerlei Logik entbehrt und perfekt aufgeht.
Grossartiges im Stadtcasino Basel mit dem Sinfonieorchester Basel (Foto: Benno Hunziker)
Eröffnet wird das Konzert mit der Schweizer Erstaufführung des Stücks «Subito con forza (2020)» von Unsuk Chin, welche derzeit als «Composer in Residence» in Basel wirkt. Das kompakte und höchst komplexe Werk dauert fünf intensive Minuten und trägt den Zusatz «Anlässlich des 250. Jahrestages von Beethovens Geburt». Die Komponistin verarbeitet darin Beethovens immerwährende musikalische Unruhe bei der Suche und Streben nach neuen musikalischen Herausforderungen. Chin verbindet in dieser kurzen, genialen Komposition die Kontraste innnerhalb Beethovens Musik und lässt sie zu heftigsten Ausbrüchen an- und zu extremer Ruhe abschwellen. Dem Sinfonieorchester Basel unter Maestro Robert Trevino gelingt eine packende, mitreissende Aufführung des Werks. Präzise meistern die Streicher zu Beginn die mörderischen Läufe, absolut exakt agieren die Schlaginstrumente, kraftvoll präsentieren sich die Blechbläser. Da ist absolute Spannung drin – und wir hätten dieser Musik nach den Schlussakkorden nach fünf Minuten noch so gerne weiter gelauscht … – Ein toller Auftakt in diesen Abend!
Ein fantastisches Trio: David Moreau (Violine), Edgar Moreau (Violoncello), Jérémie Moreau (Klavier) (Foto: Benno Hunziker)
Nach einer kurzen Umbaupause geht es weiter mit einem meiner Lieblingswerke Ludwig van Beethovens, nämlich dem «Tripelkonzert für Klavier, Violine, Violoncello und Orchester C-Dur, op. 56 (1804)», welches das Menschsein als Einzelner (Soloinstrumente) im Kollektiv (Orchester) zum Thema hat. Individuen und Kollektiv treten in einen Dialog miteinander. Beethoven ging mit diesem Konzert neue, ungewohnte Wege, indem er das Klaviertrio solistisch besetzte. Beethoven entschied sich zu diesem Schritt um seinen berühmten Klavierschüler, den Erzherzog Rudolph von Österreich, nicht als einzigen Solisten zu exponieren. Zusätzlich verhinderte der Komponist dies, indem er den eigentlichen «Leading Part» dem Violoncello zuschrieb. Wie auch immer, das Konzert bietet allen drei Soloinstrumenten wunderbare, teilweise gefürchtete Herausforderungen. Grossartig also, dass es dem SOB gelungen ist, drei Ausnahmekünstler für diese Aufführung zu gewinnen: Leidenschaftlich, mit grösster innerer Differenzierung und brillanter Technik und ausserordentlichstem musikalischem Ausdruck gerät den drei Brüdern David Moreau (Violine), Edgar Moreau (Violoncello) und Jérémie Moreau (Klavier) eine mitreissende Aufführung von Beethovens wunderbarem Konzert. Die drei Brüder musizieren seit ihrer Kindheit – Jérémie Moreau weist zudem eine Ausbildung zum Balletttänzer aus – und sind nebst ihren Auftritten als Trio auch einzeln unterwegs. Dass sie sich musikalisch sehr nahestehen, ist für das Publikum insbesondere im leidenschaftlich-meditativen zweiten Satz des Konzertes hör- und erlebbar. Getragen werden die fantastischen Solisten durch die noble, äusserst sensible Begleitung des Sinfonieorchesterorchester Basel unter Robert Trevino. Als Zugabe lassen die drei Brüder das «Prélude für Violine, Cello und Klavier» von Shostakovich absolut ergreifend erklingen.
Mitreissende Leidenschaft und Präzision: Robert Trevino (Foto: Benno Hunziker)
Mit seinem Grundsatz «Mehr Ausdruck als Malerei» setzte sich Beethoven mit seiner 6. Sinfonie von der herkömmlichen «Tonmalerei» ab und legte den Fokus auf die inneren Empfindungen – der Konflikt zwischen den Anhängern der «Programm-Musik» und denjenigen der «Absoluten Musik» war perfekt. Diesen Ansatz nimmt auch Richard Strauss mit seinen «Tondichtungen» auf und berichtet in seiner «Sinfonia domestica, op. 53 (1903)» recht freimütig aus seinem Familienleben. Die drei Themen im ersten Satz stellen Papa, Mama und das Baby dar. Es dauert nicht lange, da gerät das Familienidyll, wenn es darum geht, das Baby gegen dessen Willen ins Bett zu bringen, ziemlich heftig aus den Fugen. Weiter sorgt eine grosse, offenherzige Liebeszene für Aufsehen und lässt das, was später in «Salome» zu hören und erleben ist, erahnen. Mit mitreissender Leidenschaft und höchster Sensibilität führt Dirigent Robert Trevino das Sinfonieorchester Basel durch das Werk. Es erklingen herrlich grosse Klangbogen und feine, sensible, leise Passagen, bei welchen einmal mehr die Holzbläser mehr als nur positiv auffallen. Kraftvoll und rein begeistern die Blechbläser und die Schlaginstrumente. Als Gesamtes bietet das SOB herrlichsten Strauss: Kräftig, leidenschaftlich, lautstark – aber niemals zu laut – ein Hochgenuss!
Begeisterter, langer Schlussapplaus für einen denkwürdigen, aussergewöhnlichen Konzertabend!
Michael Hug