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BASEL/ Stadtcasino: SINFONIEORCHESTER BASEL, Alexander Liebreich/ Miklòs Perényi

04.12.2014 | Konzert/Liederabende

Basel: Stadtcasino – Miklòs Perényi (Violoncello), Sinfonieorchester Basel, Alexander Liebreich (Leitung) – „Hoch auf dem Berge“03.12.2014

 Gipfelstürmer

 In seinem dritten Sinfoniekonzert nimmt uns das Sinfonieorchester Basel (SOB) auf eine fast schon schwindelerregende Bergwanderung, bei der es für den Zuhörer viel Spannendes zu entdecken gibt, mit. Auch das Land der Berge und der Toblerone (= die einzige Schokolade, deren Form einem Berg nachempfunden ist) – die Schweiz nämlich – bringt namhafte Komponisten hervor. Der Schaffhauser Beat Furrer (*1954) ist einer davon. Mit seinen 2013 in Frankfurt uraufgeführten „strane costellazioni“ eröffnet das SOB den Abend mit einer Schweizer Erstaufführung. Es erklingt ein musikalisches Kaleidoskop – unendlich reich an Strukturen und Farben. Dank des äusserst präzisen Dirigats von Alexander Liebreich gelingt dem SOB eine klanglich differenzierte, spannende und mitreissende Interpretation von Furrers faszinierendem Stück. Der Applaus des bereits zu Beginn stark geforderten Publikums fällt wohlwollend, wenn auch etwas verhalten aus, zu seltsam scheinen Beat Furrers musikalische Konstruktionen zu sein. 

Mit dem ungarischen Cellisten Miklòs Perényi steht DER Spezialist schlechthin für Witold Lutoslawskis Konzert für Violoncello und Orchester auf dem Podium. 1978 hat Perényi, Schüler des grossen Pablo Casals, das Werk in Budapest unter der Leitung des Komponisten himself zur Aufführung gebracht und zeigte sich beeindruckt durch dessen „innere Ruhe und Genauigkeit“. Und diese Ruhe und Genauigkeit prägen die Darbietung dieses grossartigen Musikers, wenn er mit seinem Violoncello in den lebhaften Dialog mit dem Orchester tritt, der einzig durch die Blechbläser jeweils wütend unterbrochen wird. Was stellt das Stück dar? Ein Dialog? Ein Konflikt zwischen dem Solisten und dem Orchester und somit ein Konflikt zwischen dem Individuum und der Allgemeinheit? Das spannende Konzert lässt viele Interpretationen zu – obwohl Lutoslawski sich heftig dagegen wehrte. Er hat aber mit diesem Konzert ein derart aufwühlendes Werk geschaffen, das im Zuhörer intensive Bilder hervorruft, die ihn zwingen, nach Interpretationen zu suchen, um das Gehörte verarbeiten zu können. Solist Perényi meistert das Konzert souverän und wird dabei eins mit seinem Instrument. Die grosse Solo-Introduktion gerät ihm sauber und leicht von der Hand. Kein Kratzen, kein Quietschen, reine Töne pur, differenziert phrasiert. Klanglich besonders ergreifend gelingt die Stelle, in welcher der Solist mit den Celli im Orchester und dann nach und nach mit den restlichen Instrumentengruppen verschmilzt, bis dann die Blechbläser diese musikalische Harmonie auseinanderreissen. Miklòs Perényi begeistert und berührt mit sensiblem, fein phrasiertem, hoch emotionalem Spiel. Dirigent Liebreich ermöglicht mit seinem erneut klaren und eindeutigen Dirigat ein nachhaltiges, musikalisches Erlebnis der Sonderklasse!

 Nach der Pause erklingt Johannes Brahms’ Sinfonie Nr. 1, c-Moll, op. 68 (1876), welcher der Wagnerdirigent Hans von Bülow den Übernamen „Beethovens Zehnte“ verpasste. Darin erklingt der musikalische, dem heutigen Abend titelgebende, Gruss des Komponisten an Clara Schumann „Hoch auf’ m Berg, tief im Thal, grüss ich dich viel tausendmal“. Es beginnen die äusserst kultiviert aufspielenden Streicher, die strahlend klagenden Holzbläser setzen ein! Im zweiten Satz ergreifen erneut die wunderbaren Holzbläser, welche von den Streichern subtil begleitet werden. Es entwickelt sich eine fantastische Klangfülle, das Violinensolo bildet einen eigenen musikalischen Höhepunkt! Spannend geraten die pp-Pizzicati, welche den finalen vierten Satz einleiten – das Publikum verharrt in absoluter Stille. Hätte da ein Floh gehustet, man hätte ihn gehört! Zum Schluss des Satzes strahlender Vollklang! Mit der Brahms-Sinfonie liefert Maestro Liebreich sein persönliches Meisterstück des Abends: Glasklar und eindeutig gibt er seine Einsätze, geht mit dem ganzen Körper mit und zeigt somit mehr als nur deutlich auf, in welcher Klangfarbe und –stimmung die Musik ertönen soll. Alleine aus seiner Dirigiergestik hätte ein Kenner – auch ohne nur eine Note zu hören – erkennen können, welches Werk hier dirigiert wird – fantastisch! Jeder Dirigent hat seine eigenen Blickwinkel und Interpretationen zu den Werken, die er aufführt. Das Sinfonieorchester Basel stellt an diesem Konzert seine grosse Gabe, sich auf Dirigenten individuell einzulassen, deren Ideen aufzugreifen und umzusetzen, erneut mehr als nur eindrücklich unter Beweis. Tosender mit vielen Bravo- (und Bravi-)Rufen durchsetzter Schlussapplaus!

 „Was haben wir doch für ein tolles Orchester“, meint meine Sitznachbarin ergriffen. Damit ist eigentlich alles gesagt.

 Michael Hug

 

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