BASEL/ Stadtcasino Basel- Zwei Geschwister und das Sinfonieorchester Basel triumphieren!
21.09.2023
Das Motto der Konzertsaison des Sinfonieorchester Basel (SOB) 23/24 heisst nicht ohne Grund „Familienbande.“ So gastiert an diesem Abend die 1996 in Litauen geborene Pianistin Onutė Gražinytė zusammen mit ihrer älteren Schwester Mirga Gražinytė-Tyla. Letztere hat an diesem Abend die musikalische Leitung und eröffnet das Konzert mit dem ersten Orchesterstück von Mikalojus Konstantinas Čiurlionis, das den Titel «Miške» (Im Walde) aus dem Jahre 1901 trägt. Als die ersten Klänge der symphonischen Dichtung erklingen, horcht man sofort auf. Es stellt sich ein warmes Heimatgefühl ein, welches einlädt in den Klangwogen zu baden. Der von 1875 bis 1911 lebende Komponist Čiurlionis malt mit üppiger Harmonik schwärmerische Klangbilder, welche der Spätromantik zuzuordnen sind. Dass der Komponist auch selbst Maler war, der meist kraftvolle Landschaftsbilder anfertigte, ist nicht überraschend. Unter der Leitung von Gražinytė-Tyla vermag das SOB einen beständigen Fluss beizubehalten, der die Zuhörer:innen auf eine herzerwärmende Reise durch das ländliche Litauen nimmt. Das SOB überzeugt mit viel Sensibilität und ausbalanciertem Klang. Ein nicht erwarteter Ohrenschmaus gleich zu Beginn!
Nach träumerischen Landschaftsbildern folgt Aufregung. Als die Umbauten für das Klavierkonzert in fis-Moll, op. 20 (1896) von Alexander Skrjabin beendet sind, scheint eine Musikerin zu fehlen. Nach einer kurzen Ansage der Dirigentin wird bekannt, dass sich Diese am Notenpapier geschnitten hat. Die Reihenfolge des Programms wird kurzerhand umgestellt, sowie der Flügel erneut zur Seite geschoben.
Als sich die kurze Aufregung gelegt hat, bringt das SOB «Midsummer Song» (2009) von der 1975 geborenen und ebenfalls Litauischen Komponistin Raminta Šerkšnytė zu Gehör. Ein kurzweiliges und hoch atmosphärisches Stück für Streicher und zwei Perkussionisten. Die Streicher des SOB laufen zur Höchstform auf und begeistern auf ganzer Linie. Nicht selten scheint man zu vergessen, dass das Stück hauptsächlich nur für Streicher komponiert wurde. Nach einem vollends gelungenen ersten Teil wird das Publikum in die Pause entlassen.
Auch der zweite Teil des Konzerts ist geprägt von Atmosphäre und einem natürlichen Fluss. Das eher selten aufgeführte Klavierkonzert von Alexander Skrjabin besticht durch wunderschöne Melodien und einer Schlichtheit, ohne dabei zu wenig Emotion auszudrücken. Eine dunkle Vorahnung zieht sich durch das Werk und wird von verträumten Erinnerungen an die Vergangenheit aufgehellt. Gražinytė-Tyla dirigiert sehr rücksichtsvoll und lässt ihrer Schwester genug Zeit, die Musik entfalten zu können. Ebenso sensibel und leicht ist die Interpretation der jungen Pianistin Onutė Gražinytė, ohne dabei an Intensität zu verlieren. Ein kraftvolles Finale beendet das Klavierkonzert gebührend. Anrührend ist auch die Zugabe von Gražinytė, welche singt und sich dazu am Klavier selbst begleitet.
Triumphal beendet wird das Konzert schliesslich von Maurice Ravels «Daphnis et Chloé» Suite Nr.2 (1912). Die bestens einstudierten Orchestergruppen zeigen nochmals, was sie können. Die Streicher summen vor Intensität, die Holzbläser strahlen anmutig durch die Klangmassen und die Blechbläser begeistern mit einem runden und vollen Klang. Auch Schlag-Enthusiasten kommen besonders in den letzten Minuten der Ballett-Suite auf ihre Kosten.
Ein rundum gelungener Konzertabend mit einem wahrlich interessanten Programm geht zu ende. Gražinytė-Tyla wird zurecht gefeiert und man kann gespannt sein, welche musikalischen Genüsse sie uns bei den kommenden zwei Abonnementskonzerten vom 27./28.9. schenken wird. Nur wer kommt, findet es heraus.
Philipp Borghesi