Basel: Stadtcasino Basel – Sinfonieorchester Basel (SOB) – «Fanny & Felix» – Maria Duenas (Violine) – ohne Dirigent!
– 20.12.2023
Es sind eben diese Überraschungen, welche die Durchführung eines Konzertabends gefährden können: Der Dirigent erkrankt kurzfristig und kann die Aufführung nicht leiten. Und weil das Programm des Abends keines ist, welches ein anderer Dirigent kurzfristig einfach spontan und locker aus dem Ärmel schütteln kann, wird es dann schon sehr brenzlig! So geschehen in Basel, als das Publikum am 20. Dezember kurz vor Konzertbeginn darüber informiert wird, dass Chefdirigent Ivor Bolton erkrankt ist – und sich so kurzfristig kein Ersatz für ihn finden liess. Das Sinfonieorchester Basel (SOB) wäre aber nicht das Sinfonieorchester Basel, wenn es sich auch in dieser Ausnahmesituation zu helfen wüsste. Kurzerhand wird der Beschluss gefasst, den Abend ohne Dirigenten unter der Leitung der ersten Konzertmeisterin Friederike Starkloff durchzuführen. Eine Herkules-Aufgabe, welche Orchester und Konzertmeisterin jedoch souverän meistern, nicht zuletzt wohl auch dank der wie gewohnt äusserst sorgfältigen Einstudierung durch Ivor Bolton. Es gelingt Grosses!
Eine besondere Herausforderung für die 1. Konzertmeisterin Friederike Starkloff und das Sinfonieorchester Basel (Foto: Benno Hunziker)
Diese Konzertsaison steht ja unter dem Motto «Familienbande» – und da dürfen natürlich Felix Mendelssohn Bartholdy und seine Schwester Fanny Hensel nicht vergessen gehen. Zudem beleuchtet der Abend auch die Rolle und Bedeutung der Frau als Komponistin. Mit Fanny Hensel und Louise Farrenc gelangen zwei komponierende Damen zur Aufführung, deren (musikalische) Lebensbilder nicht unterschiedlich sein könnten: Während sich Fanny Hensel bis fast zum Ende ihres kurzen Lebens damit «abfinden» musste, dass Musik für sie «nur Zierde, immer Bildungsmittel, Grundbasis deines Seins und Tuns werden kann und soll» (Zitat: Vater Abraham Mendelssohn zu Fannys Konfirmation), zeigte sich Louise Farrenc immer kämpferisch emanzipiert, studierte Komposition, gründete mit ihrem Ehemann einen Musikverlag, in welchem ihre Werke gedruckt wurden und so eine breite Öffentlichkeit erreichten, und avancierte zur ersten Klavierprofessorin in der Geschichte des Conservatoires. Dass Louise Farrenc in dieser Funktion Mädchen und Frauen unterrichtete, versteht sich wohl von selbst.
Das Sinfonieorchester Basel unter Friederike Starkloff eröffnet das Konzert mit der «Ouvertüre C-Dur» (1832) von Fanny Hensel. Es ist dies das einzig reine Orchesterstück der Komponistin. Pikant dabei ist, dass dieses entzückende Werk damals unter dem Namen ihres Bruders Felix erschienen ist. Dem SOB gelingt eine differenzierte, fein phrasierte, äusserst präzise Aufführung der Ouvertüre. Die grosse musikalische Sensibilität von Holz- und Blechbläsern sei an dieser Stelle besonders hervorgehoben.
Kraft und Leidenschaft: Maria Duenas und das Sinfonieorchester Basel (Foto: Benno Hunziker)
Als zweites erklingt das berühmte «Konzert für Violine und Orchester 3-Moll, op. 64 (1844)» von Felix Mendelssohn Bartholdy. Als Solistin gibt die spanische Geigerin Maria Duenas ihr Basler Debut. Und was für eines! Sie besticht durch ausserordentliche musikalische Sensibilität und fantastischer Spieltechnik. Keine quietschenden, schrillen Höhen, keine kratzenden Tiefen – Reinheit pur! Die unzähligen Läufe sprudeln durch ihre Finger in das Instrument und ziehen das Publikum in ihren Bann. Mit ihrer grossen musikalischen Gestaltungskraft gelingt der Musikerin ein packender Vortrag mit ergreifendem Tiefgang. Das Sinfonieorchester Basel verstärkt diese Wirkung mit sensiblem Spiel. Insbesondere im zweiten Satz (Andante) kommt das Meditative und Tröstende von Mendelssohns wunderbaren Musik besonders eindringlich zum Tragen. Neben der vielen kraftvollen und virtuosen Stellen zeigt diese Aufführung die Filigranität von Mendelssohns genialem Violinkonzert mehr als nur deutlich auf. Wunderbar!
Grosse Erleichterung nach einer grossartigen Leistung: Konzertmeisterin Friederike Starkloff, Solistin Maria Duenas, Sinfonieorchester Basel (Foto: Benno Hunziker)
Nach der Pause kommt die «Sinfonie Nr. 3 g-Moll, op. 36 (1847)» von Louise Farrenc zur Aufführung. Auch hier gelingt dem Sinfonieorchester Basel eine differenzierte Aufführung. Und auch hier darf ich die feinfühlige Leistung der Holz- und Blechbläser besonders hervorheben, welche besonders im zweiten Satz (Adagio cantabile) in einen stimmungsvollen Dialog mit dem freudig aufspielenden restlichen Orchester treten.
Grosser Applaus für einen aussergwöhnlichen Konzertabend – verbunden mit den herzlichsten Genesungswünschen an Ivor Bolton.
Michael Hug