Basel: Theater Basel – Schauspielhaus – Ballett Basel – Galili/Shechter „Object Present“ – Besuchte Aufführung: 22.05.16
In einem Mehrspartenhaus soll jede Sparte jede Bühne eines Theaters bespielen, so das Credo der aktuellen Theaterleitung unter Andreas Beck. Beim Ballettabend „Object Present“ trifft es das Ballett Basel, das für seinen jüngsten zweiteiligen Ballettabend ins Basler Schauspielhaus disloziert. Der Basler Ballettdirektor Richard Wherlock bietet seiner Compagnie erneut die Möglichkeit mit zwei faszinierenden Gastchoreographen zu arbeiten – heuer sind dies Itzik Galili und Hofesh Shechter.
Eröffnet wird der Abend mit „Romance Inverse“ von Itzik Galili. Im ersten Teil der 35minütigen Choreographie („six“) finden sich fünf Tänzer in einer durch fünf bewegte Wände gebildete architektonische Landschaft, welche sich andauernd verändert, wieder. Die minimalistische Musik von Steve Reich („Six Marimbas“) sorgt dafür, dass die Tänzer, wie die Wände auch, fortwährend in Bewegung sind. Es bilden sich laufend neue Räume, nie entsteht Nähe – zwischen den Tänzern schon gar nicht; sie berühren sich nie. Die Choreographie fordert den Tänzern körperlich so gut wie alles ab. Die im Vergleich zum grossen Haus wesentlich kleinere Bühne des Schauspielhaus sorgt auch für Nähe zum Publikum, was wiederum dazu führt, dass der eine oder andere Zuschauer in den vorderen Reihen den einen oder anderen tänzerischen Schweisstropfen abbekommt. Im zweiten Teil von Romance mit dem Untertitel „OR“ zur Musik von Percossa tritt ein Lichtwürfel an die Stelle der bewegten Wände, Tänzerinnen und Tänzer bilden Formationen, lösen diese in Einzelteile auf um diese dann wieder zu neuen Formationen zusammenzufügen. Das Ballett Basel liefert wie gewohnt eine herausragende Leistung, die fantastische Lichtgestaltung von Yaron Abulafia trägt zusätzlich zu dem fast schon zu bildstarken Tanzerlebnis bei. Dieser Choreographie hätte ich sehr gerne auf der „Grossen Bühne“ gesehen; die Compagnie hätte da mit noch mehr Kraft und Energie performen können.
Grossartig passt Hofesh Shechters „Violet Kid“ auf die Bühne des Basler Schauspielhauses. Shechter zeigt in seiner Arbeit eine klaustrophobischen Reigen von Terror, Gewalt und wütenden Horden. In der ersten Szene stehen die Tänzerinnen und Tänzer am Bühnenrand und wirken dadurch bereits schon bedrohlich. Abgehackte, sich wiederholende Bewegungen – jeder tanzt für sich alleine, Kommunikation findet nicht statt – dafür brodelt da eine gewaltvolle Suppe … Dumpfe, dröhnende Bässe aus der Feder des Choreographen in schier unerträglicher Lautstärke vermitteln dem Besucher einen Einblick in das, was sich wohl viele nicht nur Jugendliche früh morgens in den Strassenbahnen und Bussen anhand i-phone & Co. reinziehen. Die Bewegungssprache ist stark nach innen gerichtet, die Tänzerinnen und Tänzer explodieren als wären sie unter Drogen. Es formieren sich Gruppen, deren einheitlicher Tanzstil äusserste Gewaltbereitschaft erahnen lässt. 35 klaustrophobische, durch Hofesh Schechter und Jim French fantastisch ausgeleuchtete, beängstigende Minuten von selten erlebter Intensistät!
Das Publikum zeigt sich beim Schlussapplaus gefordert – und begeistert! Das Ballett Basel zeigt, was es auch ohne Spitzenschuhe, dafür barfuss und in Socken, ist: Einfach spitze!!!
Michael Hug