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BASEL/ Musicaltheater: DAS PHANTOM DER OPER von Deborah Sasson/ Jochen Sautter

16.01.2016 | Operette/Musical

Basel: Musical-Theater Basel – Deborah Sasson/Jochen Sautter „Das Phantom der Oper“  –  15.01.2016

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Copyright: 3 for 1 Trinity concert.Gmbh

Das „andere“ Phantom

 Voller Stolz und mit der entsprechenden Lautstärke beweist der Herr in der neunten Reihe im Parkett seiner Begleiterin, dass er sich intensiv auf den heutigen „Phantom“-Abend vorbereitet hat – tagelang hat er sich den Film und die diversen CD-Aufnahmen des berühmten Stücks „reingezogen“ – und gibt mit gut ausgebautem Forte das berühmte Motiv „Tääääääääääääääää – tä-tä-tä-tä-täääääääääääääääää“ von sich. Dies ist der Auftakt zur Tragödie des Theaterbesuchers, der sich im Stück geirrt hat: Denn schon nach den ersten Takten des Openings wird mit wachsender Empörung klar: „Das ist nicht das Original – das Original ist von Webber.“ Und das ist der zweite – wenn auch unbewusste – Irrtum des Besuchers: Auch das Original-Phantom stammt nicht von Andrew Lloyd Webber sondern aus der Feder von Gaston Leroux, der mit seinem schauerlichen, angeblich auf Tatsachen beruhenden Roman bereits 1911 erschienen Roman den Phantom-Hipe auslöste. Schon 1925 wurde der Stoff noch als Stummfilm mit Lon Chaney auf Zelluloid gebannt und zog eine Reihe weiterer Verfilmungen und Bühnenversionen nach sich. Die gegenwärtig erfolgreichste Bearbeitung des Stoffes ist das monumentale im grossen „Opernstil“ angelegte Musical von Andrew Lloyd Webber – da rennt nun einfach wirklich alles rein.

Keine Chance also für andere Künstler, wie Deborah Sasson und Jochen Sautter, welche sich ebenfalls engagiert mit dem Stoff auseinandersetzen und „ihre“ Sichtweise auf die Bühne bringen wollen? Aber sicher doch – man muss nur wollen – und der grösste Teil des Publikums will auch. Denn, wer genau hinhört und hinsieht, merkt, dass er es hier nicht mit einem Abklatsch von Webber, sondern mit einer absolut eigenständigen Sichtweise auf die Geschichte zu tun hat. Und dies trotz der Katakomben, der Friedhofsgruselromanze und dem Kronleuchterabsturz – das sind halt eben die Elemente von Gaston Leroux’ Roman.

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Copyright: 3 for 1 Trinity concert.Gmbh

Die Komponistin Deborah Sasson kann als grosse Künstlerin der Opernbühne auf eine beeindruckende Karriere in New York, San Francisco, Buenos Aires, London, Paris und Bayreuth zurückblicken. Und so wird ihre Version des „Phantoms“ zu einer veritablen Liebeserklärung an die Oper, Operette – und das Musical. Die von Jochen Sautter passend getexteten Songs sind gefällig – und echte Ohrwürmer. Zudem finden sich im musikalischen Score Zitate von Puccini, Verdi, J. Strauss, Gounod, Bizet und Pergolesi. Natürlich singt Christine nicht eigens für sie komponierte Arien, sondern „O mio babbino caro“, „Se tu m’ ami“ und „Libiamo“ – Opernauthentizität pur. Dazu gibt es die von Jochen Sautter pfiffig choreographierte Musicalnummern im „klassischen Stil“ mit viel Schwung und Schmiss zu geniessen.

Da es sich hier um eine Tourneeproduktion handelt, ist die Ausstattung (Bühnenausstattung: Michael Scott) verständlicherweise nicht soooooo aufwändig wie bei Webbers „fest installiertem“ Werk. Optisch greifen die Macher hier gekonnt in die Trickkiste der Beleuchtungs- und Projektionskunst (Lichtdesign/Projektionen: MPC Filmproduktion GbR, Peter Weist). Die aufwändig gearbeiteten Kostüme, das sorgfältige Make-Up und die kunstvoll gefertigten Frisuren von Ann Smigiel, Malwina Musialska setzen dem optischen Genuss das „i-Pünktchen“ auf.

Spiel- und sanges- und tanzfreudig zeigt sich das Ensemble, umsichtig begleitet durch das 14-köpfige Orchester. Sämtliche Rollen sind wunderbar besetzt. Die Mezzosopranistin Martina Göhring verleiht mit kräftiger Stimme und dominantem Auftreten Madame Sorelli besondere Bühnenpräsenz. Robert Schwarts und Michael Fernbach sorgen als Operndirektoren Richard und Moncharmin für viel Slapstik-Komik. Die stimmgewaltige Sopranistin Ann Jennings ist die Idealbesetzung für die überdrehte Operndiva La Carlotta, passend auch Darren Perkins als Perser Nadir Khan.

Nebst dem Buch, den deutschen und englischen Liedtexten, Regie und Choreographie übernimmt Jochen Sautter auch noch gekonnt den Part des Raoul, Comte de Chaquy. Sasson/Sautter zeigen Phantom nicht als ausschliessliche Horrorgestalt sondern verleihen ihm schon bald verletzliche und menschliche Züge und zeigen dadurch die grosse menschliche Tragödie, welche sich hinter diesem Phantom verbirgt, gekonnt auf. Axel Olzinger bringt dies mit seiner einfühlsamen musikalischen und darstellerischen Gestaltung der Titelrolle äusserst stark zum Ausdruck. Deborah Sasson (künstlerische Gesamtleitung) stellt als Christine ihre grosse musikalische Vielfältigkeit in beeindruckendster Weise unter Beweis.

„Das Phantom der Oper“ von Sasson/Sautter – ein gediegener Musical-Spass für die ganze Familie!

  Michael Hug

 

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