Basel: Musical Theater Basel – Richard O’Brien – The Rocky Horror Show
Premiere: 17.04.2018
Netzstrümpfe dort, Korsagen und hohe Schuhe da. Das Publikum an jenem Premieren-Abend macht einen wahrlich skurrilen Eindruck. Derjenige, welcher jedoch mit dem Kult der Rocky Horror Show vertraut ist, weiss, dass es sich bei diesen Gestalten um eingefleischte Fans handelt, die den normalen Theaterbesuch zu einem einmaligen Ereignis machen. Das Publikum singt und klatscht mit, es kennt die Texte auswendig und bewirft sich gegenseitig mit Konfetti, WC-Rollen etc. Als der Regen auf der Bühne einsetzt, schwappt dieser auch in den Saal über, da sich die Besucher mit kleinen Wasserpistolen die Zeit vertreiben. Es gibt wohl kein anderes Musical, in welchem das Publikum so einen grossen Spass hat, die Darstellerinnen und Darsteller so flexibel sind und trotz des Trubels eine qualitativ hochwertige Show abliefern.
Es ist wohl das beliebteste und verrückteste Trash-Musical, welches je aufgeführt worden ist und selbst nach 45 Jahren seit seiner Uraufführung in London einen grossen Erfolg geniesst. Trotz des Alters ist die Geschichte immer noch top aktuell. Somit setzen sich die Figuren der Handlung mit der Sexualität, Liebe und der Lust auseinander. Dies tun sie auf eine solch erfrischende und musikalisch hochstehende Weise, dass die enorme Begeisterung seitens des Publikums nicht überrascht.
Links Holly Atterton als Columbia, Stuart Matthew Price als Riff Raff in der Mitte und rechts Anna Lidman als Magenta. ©Jens Hauer
Die Darsteller singen, tanzen und spielen sich an jenem Abend die Seele aus dem Leib. Dies ist auch nötig um den stark überzeichneten und kultigen Figuren gerecht zu werden. Gesanglich wird die Vorstellung von Anna Lidman als Magenta eröffnet. Sie überzeugt mit einer kraftvollen Soulstimme aber auch gefühlsvollen Tönen. Ebenfalls überzeugend sind Brad und Janet, gespielt von Felix Mosse und Sophie Isaacs. Das zu Beginn herrlich prüde Pärchen sorgt während des Stückes für viele Slapstick-Einlagen. Darstellerisch vermag Gary Tushawals Dr. Frank’nFurter das Publikum besonders in seinen Bann zu ziehen. Seine tiefe Sprechstimme und sein warmes Timbre verschaffen seiner Interpretation des wahnwitzigen Wissenschaftlers einen sehr melancholischen Touch, was sehr berührt. Gesanglich zufriedenstellend, jedoch darstellerisch ebenfalls brillant sind Holly Atterton als Columbia, Ryan Goscinski als Rocky und Daniel Fletscher als Eddie/Dr. Scott. Magentas Bruder Riff Raff, gespielt von Stuart Matthew Price, ist die stimmliche Offenbarung des Abends. Mit seiner enormen Höhe und sehr sauberen Diktion gelingt es ihm, einen Gänsehautmoment nach dem anderen zu schaffen. Der beim Publikum unbeliebte Erzählerpart übernimmt der Rapper und Moderator Knackeboul. Er hält sich wacker gegen das Basler Publikum, welches mit aggressiven Buh-Stürmen gegen den langweiligen Erzähler vorzugehen versucht. Natürlich gehört auch dies zum Kult der Rocky Horror Show.
Begleitet werden die Sängerinnen und Sänger von einer sechsköpfigen Live-Band unter der musikalischen Leitung von Jeff Frohner. Die meisten Musiker spielen auswendig und sind stets dabei zu beobachten, da sie auf einer Erhöhung platziert sind.
Die Darsteller werden von Regisseur Sam Buntrock gut geführt. Trotz des teilweise gewagten Stoffes ist die Personenregie nie plump, sondern stimmig und fein abgestimmt. Wenn man der Tatsache ins Auge blickt, dass es sich bei dieser Version um eine Tour-Produktion des Musicals handelt, welche knapp eine Woche in Basel gastiert, scheint es schier unglaublich zu sein, wie aufwändig die Bühne und die Lichtregie ausfällt. Hierfür sind David Howe und David Farley verantwortlich. Letzterer ist zusätzlich der Kostümdesigner. Neben erotischen Korsagen und weiteren stimmigen Kostümideen brauchen die verrückten Charaktere eine ausgefallene und nicht minder verrückte Maske, welche von Vanessa White realisiert wurde.
Das Publikum zeigt sich höchst begeistert von dem Gebotenen und dankt es allen Beteiligten mit einer Standing-Ovation und langen Jubelchören. Die Rocky Horror Show gastiert noch bis zum 22.04.18 im Musical Theater Basel.
Philipp Borghesi