Basel: Musical Theater Basel – Leonard Bernstein – “West Side Story” – Grant Sturiale (musikalische Leitung)
– Premiere: 30. Januar 2024 (besucht) – weitere Aufführungen: täglich bis 4. Februar 2024
«West Side Story» – frisch und aktuell!
2022 feierte diese Tourneeproduktion der «West Side Story», welche BB Promotion GmbH & Sundance Production Inc. NY jetzt an die Stadt am Rheinknie bringen, ihre Première und tingelt seither um den Globus. Heuer ist die Produktion für eine Woche auf der Bühne des Musical Theaters Basel zu Gast.
Das Haus, welches in den Neunzigerjahren mit Webbers «Phantom der Oper» fulminant eröffnet wurde, hat momentan einen schweren Stand, soll es doch – wenn es nach der Basler Regierung geht – einer Schwimmhalle weichen, was in breiten Kreisen der Basler Bevölkerung auf heftigen Widerstand stösst.
Eine weise Entscheidung des Managements also, einen unverwüstlichen «Musical-Klassiker» nach Basel zu holen, welcher jung und alt anspricht, berührt und überdies auch heute noch top aktuell ist.
Die Rechnung scheint aufzugehen, wird doch der Zuschauerraum – zumindest am Premierenabend – von zahlreichen Besucherinnen und Besuchern aller Altersklassen sehr gut ausgelastet: Die älteren Generationen schwelgen in Erinnerungen, die Schulklassen lassen sich von der frischen Aufführung mitreissen, ergreifen und begeistern.
Das Creative Team mit Lonny Price (Regie), Julio Monge (Choreographie), Anna Louizos (Bühne), Alejo Vietti (Kostüme), Fabrice Kebour (Licht-Design) und Tom Marshall (Sound-Design) verzichten darauf, Bernsteins Musical neu zu interpretieren und siedeln es im New York der auslaufenden Fünfzigerjahre an, peppen es aber szenisch und choreographisch gehörig auf. Das stimmungsvolle Bühnenbild bilden beweglichen Häuserblocks, welche nach Bedarf verschoben oder auch geöffnet – z. B. für die Szenen, welche in Doc’s Drugstore spielen – werden können. Die Umbauten, welche zumeist von den Darstellern selbst vorgenommen werden, sind geschickt in die Handlung eingebettet, so bleibt die Aufführung stets im Fluss. Es gelingt ein stimmungsvoller Einblick in die doch nicht ganz so gute alte Zeit …
Tonight … Maria (Melanie Sierra), Tony (Daniel Fullerton) (Foto: Johan Persson)
Das jugendliche Ensemble beeindruckt gesanglich und meistert die anspruchsvolle, grossartig durch Julio Monge aufgefrischte Choreographie von Jerome Robbins mit Frische, Tanzfreude und grossem Können.
Daniel Fullerton gibt einen Tony, den man nicht zuletzt wegen seiner Natürlichkeit und Authentizität sofort ins Herz schliesst. Mit seiner schönen, gut geführten Tenorstimme singt er sich in die Herzen von Maria und des Publikums. Ihm zur Seite die entzückende Melanie Sierra, welche Maria erfrischende Jugendlichkeit und die unschuldige Leidenschaft der ersten grossen Liebe verleiht. Die junge Sopranistin liefert sowohl gesanglich als auch in der Darstellung eine überzeugende Leistung. Melanie Sierra und Daniel Fullerton geben ein anrührendes Liebespaar, besonders berührend gerät die «Brautszene» in der Schneiderei.
Den Gegenpol zur zarten Leidenschaft bietet Milan Magana als rassige Anita. Sie liefert ein Feuerwerk an Tanz und Gesang, «America» ist ein Highlight für sich. Taylor Harley und Anthony Sanchez gefallen als Riff bzw. Bernardo.
Getanzte Leidenschaft und Lebensfreude auf dem Dach … (Foto: Johan Persson)
Ganz klar: Die Musik und der Tanz bilden die zentralen Elemente der Show – und die gelingen sehr gut. Hervorzuheben ist dabei auch das Orchester unter Grant Sturiale, welches trotz nicht ganz einfacher akustischer Bedingungen Bernsteins geniale Musik mitreissend darbieten – Verstärkungen und Lautsprecher sind eben nie unproblematisch. Den Musikern gelingt aber trotzdem eine gut differenzierte Interpretation.
Bei den Schauspielszenen wird auf zügiges Tempo gesetzt, was zuweilen auf Kosten der inhaltlichen Tiefe und der Emotion geht. Sehr originell gestalten Bret Tuomi und Eric Gratton das Polizisten-Duo Lt. Schrank / Officer Krupke. Darren Matthias gibt einen grobschlächtigen Doc, der die Gangs in seinem Drugstore dank seiner imposanten Erscheinung fest im Griff hat – bis auch er letztendlich an der Geschichte zu zerbrechen droht – was ist nur mit dieser Jugend los?
Lt. Schrank (Bret Tuomi) Officer Krupke (Eric Gratton), die Jets und die Sharks (Foto: Johan Persson)
Standing Ovation für die von einem erstklassigen Creative-Team sorgfältig aufgefrischte und von pulsierenden jungen Künstlerinnen und Künstlern schwungvoll umgesetzten «West Side Story»! Ein Erlebnis!
Michael Hug