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BASEL/ Musical-Theater: HOMMAGE AN BERNSTEIN

Sinfonieorchester Basel (SOB) – Kim Criswell (Vocals), Daniel Schnyder (Saxofon), Wayne Marshall (Klavier und Leitung)

01.11.2018 | Konzert/Liederabende


Foto: Michael Hug

Basel: Musical Theater Basel – Hommage an Bernstein – Sinfonieorchester Basel (SOB) – Kim Criswell (Vocals), Daniel Schnyder (Saxofon), Wayne Marshall (Klavier und Leitung)    –  31.10.2018

 Egal, wo er auftrat – das Publikum liebte ihn für seine temperamentvolle Leidenschaft beim Dirigieren. Er liebte die Musik und die Menschen und wollte immer zusammenbringen, was manchmal auch nicht zusammenkommen wollte. Er war Botschafter der Musik und des Friedens, der an seinem Traum von einer besseren Welt bis zum Schluss festhielt: Leonard Bernstein. In diesem Jahr hätte er seinen 100. Geburtstag gefeiert. In seiner Musik, welche er der Welt hinterlassen hat, wird Lenny immer allgegenwärtig bleiben und auch in Zukunft Generationen von Musikliebhabern begeistern.

In der heutigen Zeit entstehen viele Musicals, welche mit grossem Erfolg kurz- oder längerfristig am Musicalhimmel erstrahlen, deren Stern jedoch irgendwann mal verglimmt. Diese Stücke sind mit vielen musikalischen und optischen Effekten versehen, welche dem Zuschauer ein verblüffendes Erlebnis bieten, welches jedoch oft musikalisch nicht nachhaltig bleibt. Selbst Songs, welche sich zum Hit entwickeln können, büssen im Verlauf der Zeit an Wirkung und Magie ein. Das Musical von heute gerät zur effektvollen Show, die man gerne genussvoll konsumiert – und dann manchmal auch wieder vergisst.

Wie schafft es jedoch ein Musical wie die «West Side Story» sich seit über 60 Jahren gegen die neue Konkurrenz zu behaupten und nach wie vor Theatersäle zu füllen? Das Geheimnis liegt einerseits in der Story, welche seit jeher an Aktualität nichts eingebüsst hat und andererseits am Zauber der wunderbaren Musik. Leonard Bernstein war als Komponist Suchender und Vermittler. So kombinierte er in seinen Werken E- und U-Musik und löste geschickt die Grenzen zwischen den beiden Genres auf. In Bernsteins Werken treffen Popmusik, Jazz und Filmmusik, gespickt mit lateinamerikanischen Rhythmen, zusammen. Das sorgt für musikalische Tiefe, reisst mit, ergreift und begeistert. Hört man genau hin, so kann man feststellen, dass das, was da so leichtfüssig und beschwingt daherkommt, anspruchsvoll komponierte Musik ist, welche den Musikern das äusserste abverlangen kann. Diese Musik steht den grossen Meistern der E-Musik um nichts nach.

Leonard Bernstein «nur» auf die «West Side Story» zu reduzieren, wird diesem Ausnahmekünstler nicht gerecht – da ist nämlich viel mehr. Und diese Vielfalt zeigt das Sinfonieorchester Basel (SOB) in seinem zweiten Konzert dieser Saison auf.

Damit die Geburtstagshommage an Bernstein zu einem beeindruckenden Festkonzert wird, hat das SOB zwei Künstler eingeladen, in deren musikalischem Wirken Leonard Bernstein eine zentrale Rolle spielt: Wayne Marshall, britischer Dirigent, Organist und Pianist wirkt als Chefdirigent des WDR Funkhausorchesters Köln und ist ein wahrer Bernstein-Spezialist, der auch selten gespielte Werke Bernsteins – zum Beispiel die «White House Cantata» – aus der Versenkung holt und dem Publikum wieder zugänglich macht.

Das Musicalrepertoire der amerikanischen Sängerin Kim Criswell ist enorm und reicht von «The Sound Of Music» über Bernsteins «Wonderful Town» und «Candide» bis hin zu «Cats» und schliesslich zu «Carrie» – kurz: Frau Criswell ist querbeet einsetzbar. Aber auch als Konzertsängerin macht die Sopranistin unter anderem in London, Wien und New York auf sich aufmerksam.

Das Geburtstagskonzert zu Bernsteins 100. beginnt mit George Gershwins «Rhapsody in Blue». Wohl in Anlehnung an den berühmten Filmmitschnitt von 1976 mit den New Yorker Philharmonikern übernimmt Maestro Marshall – wie damals Bernstein – den Klavierpart und dirigiert gleichzeitig das Orchester. Ausdrucksstark eröffnet die Klarinette solistisch Gershwins Meisterwerk. Fröhlich verspielt jazzt Wayne Marshall durch die Rhapsody und begeistert mit viel Ausdruck und brillanter Virtuosität. Das Sinfonieorchester Basel begleitet den dirigierenden Solisten mit viel Dynamik. Schade, dass wegen der nicht sonderlich guten akustischen Verhältnisse im Musical Theater der Pianist im Orchesterklang vereinzelt etwas unterzugehen drohte. Das tut dem Gesamteindruck der Aufführung keinen Abbruch: Es bleibt ein wunderbarer Einstieg in einen grossartigen Konzertabend.

Kim Criswell präsentiert sich an diesem Abend nicht nur als grossartige Sängerin, sondern auch als gewiefte, charmante Moderatorin. Zu jedem Song liefert sie in witziger Art und Weise Hintergrundinformationen. Gesanglich beeindruckt Frau Criswell – nebst brillantem Gesang und deutlicher Diktion – mit ihrer Gestaltungsvielfalt. So bringt sie ihr komisches Talent in «What A Movie» aus «Trouble in Haiti» genauso zur Geltung wie ihre feine, sensible Begabung in «Somwhere» («West Side Story») oder «Dream With Me» aus «Peter Pan» – absolut ergreifend! Zudem erklingen Songs aus «On The Town» und «Wonderful Town». An wen sich die Sängerin eindringlich mit «Take Care Of This House» aus «Pennsylvania Avenue» richtet, ist wohl klar …

Dazwischen erklingt mit «Ballad and Riffs for Bernstein» ein Werk, das der Schweizer Saxofonist Daniel Schnyder im Auftrag des SOB geschrieben hat, als Uraufführung. Der Komponist selbst spielt darin den Solopart. Schnyder beleuchtet in seiner Komposition die Verbindung zwischen Bernstein und Jazzmusik. Hoch interessant, denn: «Bernstein selbst war kein Jazzer», so der der Komponist im Interview im Programmheft, «er betrachtete – wie auch Strawinsky, Milhaud und Ravel – den Jazz von aussen. Er erkannte als einer der wenigen «klassischen» amerikanischen Komponisten das enorme Potenzial des Jazz und öffnete sich dieser Welt. Ich hingegen spiele Jazz selbst, sehe diese Musik also von innen und nicht von aussen.» Vor diesem Hintergrund hat Schnyder eine eigenständige faszinierende Komposition, welche an Bernstein erinnert, ihn jedoch nie imitiert oder kopiert, geschaffen.

Das Sinfonieorchester Basel, welches unter Wayne Marshall Kim Criswell und Daniel Schnyder engagiert und mit grosser Spielfreude begleitet, begeistert mit den «Symphonic Dances» aus der «West Side Story» und der Ouvertüre zu «Candide». Dabei fällt nebst den feinen Phrasierungen die Transparenz des Klanges auf. Wie so oft beim SOB werden die einzelnen Instrumentengruppen fein herausgearbeitet und machen so die musikalischen Feinheiten hörbar. Ein faszinierendes Erlebnis – und die Erklärung dafür, warum Bernsteins Musik so nachhaltig ist.

Das zahlreich erschienene Publikum dankt den Aufführenden mit frenetischem Applaus. Ein wahres Fest für Leonard Bernstein!

Michael Hug

 

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