Giacomo Puccini: Madama Butterfly, Theater Basel, Vorstellung: 22.04.2019
(5. Vorstellung seit der Premiere am 30.03.2019)
Pinkerton als Sextourist?
Im Interview mit Regisseur Vasily Barkhatov erwähnt die Dramaturgie im Programmheft der Produktion den Begriff »Sextourismus», den die Kritik der Tageszeitungen dann natürlich begierig aufgenommen hat. Die Bilder, die das Schlagwort hervorruft, sind auf der Bühne des Theaters Basel nicht zu sehen. Die Geschichte der Frau Schmetterling wird von Barkhatov sanft aktualisiert und dazu hat er sich von Zinovy Margolin einen sich über die ganze Breite der Bühne erstreckenden, an ein Ferien-Resort erinnernden Bungalow auf die Bühne stellen lassen. Ein grosses Wohnzimmer, rechts ein Schlafzimmer und links das Zimmer Suzukis. Wenn Pinkerton im dritten Akt kommt, um sein Kind zu holen, werden die Wände nach oben gezogen. Der Bungalow ist nun offen einsehbar.
© Priska Ketterer
So werden, wo es nun Richtung Klimax des Stückes geht, die Wände des Bungalow nach oben gezogen: das Ganze wird für den Zuschauer noch naher, direkter erfahrbar. Und es zeigt, was der die Rückkehr Pinkertons für Butterfly bedeutet: Die letzte Sicherheit ist ihr, die bis dahin „ihrem“ Pinkerton vertraute und dann die Ernsthaftigkeit der Heirat glaubte, genommen.
Prunkstück des Wohnzimmers ist, wie in so vielen anderen auch, ein riesiger Fernsehapparat. In dieser »Blackbox des Erinnerns» laufen Clips, die mit Selfie-Stick und Handy live aufgenommen werden oder Clips aus der «Zeit, wo noch alles in Ordnung war». Für die Hochzeitsfeier hat sich Olga Shaishmelashvili (Kostüme) von verschiedenen asiatischen Kulturen inspirieren lassen. Sonst tragen die Künstler gängige Alltagskleidung.
© Priska Ketterer
In diesem Setting erzählt Barkhatov die Geschichte eng am Libretto (Standardfassung von 1907 mit Ergänzungen aus der Urfassung von 1904) entlang. Er zeigt plausibel dass die Thematik auch heute noch aktuell ist.
Talise Trevigne singt die Cio-Cio-San, Kristina Stanek ist ihre Dienerin Suzuki. Beide Künstlerinnen sind schauspielerisch mit dem geraden für diese beiden Rollen so wichtigen Engagement am Werk. Der gute Eindruck wird dadurch geschmälert, dass Trevigne nicht nur wie die Mutter Staneks aussieht sondern auch so klingt. Der Sopran besitzt alle notwendigen technischen Fähigkeiten, hat aber kaum Farben zu Verfügung und klingt schwer. Leidenschaft fehlt ihr völlig und auch Stanek vermag diese nur sehr dosiert zu verströmen. Otar Jorjikia als Pinkerton kennt keine konditionellen Probleme, woran dann aber auch eine differenzierte Gestaltung der Rolle leidet. Kaum Farben, kein Schmelz, «nur» Ausdauer ist für Puccini zu wenig. Karl-Heinz Brandt als Goro und Domen Križaj als Sharpless erledigen ihre Aufgaben ebenso zufriedenstellend wie Andrew Murphy als Bonzo und Vahan Markaryan als Yamadori.
Am Pult im Graben ist Leidenschaft und Leben leider ebenso Mangelware wie auf weiten Teilen der Bühne. Es fehlt die ordnende und führende Hand, nach der das Sinfonieorchester Basel geradezu ruft und Antonello Allemandi tritt in der ihm zugedachten Rolle so gut wie nicht in Erscheinung. Das Orchester deutet trotz der widrigen Umstände an, was möglich wäre. Und das scheint nicht wenig zu sein.
Es ist noch Luft nach oben. Viel Luft nach oben.
Weitere Aufführungen: Fr 26. April 2019, 19h30–22h15, So 05. Mai 2019, 18h30–21h15, Di 07. Mai 2019, 19h30–22h15, So 12. Mai 2019, 16h00–18h45, Mi 15. Mai 2019, 19h30–22h15, Sa 18. Mai 2019, 19h30–22h15, Sa 01. Juni 2019, 19h30–22h15, Sa 08. Juni 2019, 19h30–22h15, Di 11. Juni 2019, 19h30–22h15, Sa 15. Juni 2019, 19h30–22h15, Mi 19. Juni 2019, 19h30–22h15.
23.04.2019, Jan Krobot/Zürich