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BASEL/ Häbse-Theater: MY FAIR LADY (Gastspiel "Atelier-Theater Riehen")

25.10.2015 | Operette/Musical

Basel: Häbse-Theater: Gastspiel Atelier-Theater Riehen – „My Fair Lady“  –  Besuchte Aufführung: 24.10.2015

 „Häbse“ – das ist der Übername für Hans-Jörg Hersberger, der bereits als Kind auf den Brettern, welche die Welt bedeuten, herumkrabbelte, später als 16jähriger als Conférencier bei grossen Geschäftsanlässen souverän pointiert durch die Abende führte und mit 18 Jahren bereits seine erste Theatergruppe gründete. 1989 konnte er im Klein-Basel an der Klingentalstrasse die Liegenschaft, in welcher ein als Kino konzipierter, jedoch nie genutzter Saal befand, kaufen und dort sein Theater eröffnen. Seither bringt er nun zuweilen im besten Sinne recht deftiges Volks- und Boulevardtheater zur Aufführung und beschert seinem Publikum damit quietschvergnügte Stunden. Daneben geben sich anlässlich von Gastspielen regionale, nationale und internationale Künstler und Ensembles die Türklinke in die Hand. Häbses Konzept ging auf: Er will Unterhaltung bieten, das gelingt! Sein Theater ist heute eine der tragenden Institutionen der unterhaltenden (Klein-)Kunst.

Im beschaulichen Riehen, welches direkt an Basel grenzt, hat der deutsche Schauspieler und Regisseur Dieter Ballmann im Keller des historischen „Hus bym Kilchhof“ bereits schon 1979 mit einfachen Mitteln sein „Atelier-Theater“ gegründet und bringt dort ebenfalls unterhaltendes Theater auf die Bühne, wenn auch vielleicht mit etwas leiseren Tönen, als dies bei Häbse der Fall ist. Das schmucke Theater im historischen Haus, welches in der Nähe der „Fondation Beyeler“, welche mit gross angelegten Kunstausstellungen für internationales Aufsehen sorgt, steht, wird auch gerne für Gastspiele genutzt: So waren dort die unvergessene Schweizer Kabarettistin Elsie Attenhofer oder die Schauspielgrössen Gert Fröbe und Gisela May zu erleben; der junge Michael Birkenmeier verdiente sich in Riehen seine ersten Sporen ab.

Immer wieder wagt sich der unermüdliche Dieter Ballmann auch an „grosse Kisten“, welche die Bühnenverhältnisse seines Kellertheaters sprengen. Ich erinnere mich da an die aufwändige Adaption von Agatha Christie’ s „Tod auf dem Nil“, welche im grösseren Basler „Theater Scala“ erfolgreich über die Bühne ging. Das neueste Grossprojekt aus Riehen ist der Musical-Klassiker „My Fair Lady“, welches das Atelier Theater auf der Bühne des Häbse-Theaters zur Aufführung bringt. Produktion, Regie sowie die Rolle das Alfred P. Doolittle übernimmt Ballmann gleich selbst. Das riesige Stück wurde weitgehend sehr umsichtig auf eine gut 2 1/2-stündige Fassung gekürzt und erklingt in einer „kammermusikalischen Fassung“ von Barbara Kleiner, welche das Kleinstorchester, bestehend aus einer Violine (Katrin Bösiger) und einer Klarinette (hinreissend: Urs Beutler), selbst leitet und den Klavierpart übernimmt. Diese orchestrale Maximalreduktion ermöglicht dem Zuhörer, musikalische Feinheiten zu entdecken, welche im grossen Orchesterappparat oft untergehen. Eine spannende, musikalische Entdeckungsreise tut sich auf!

Mit grosser Spielfreude agieren die Darstellerinnen und Darsteller in der Inszenierung, bei welcher grosser Wert auf Werktreue und Authentizität (Bühnenbild und Kostüme: Dietlind Ballmann) gelegt wird. So wird der Zuschauer oft an George Cukors meisterhafte Verfilmung des Musicals erinnert – und doch ist alles eigenständig und anders. Und dies geschieht durch die Einzigartigkeit der Aufführenden. So hat Birgit Niethammer in ihrem Gesicht viel „Audrey Hepburn“ mit in die Wiege gelegt bekommen. Die junge, hoch talentierte Schauspielerin verpasst Eliza jedoch weit kämpferische Züge, als dies bei Hepburn im Film der Fall ist. „Wart’ s nur ab, Henry Higgins“ gerät bei ihr nicht zur kindlichen Trotzaktion sondern zu einer veritablen Kriegserklärung an ihren Mentor. Spiel- und sangesfreudig wirbelt Birgit Niethammer durch das Stück und mischt den ansonsten reichlich starren Haushalt im Hause Higgins mächtig auf. Egon Klauser ist ein vollkommen anderer Henry Higgins als der, den Rex Harrison verkörpert. Er entledigt den Professor jeglicher Eleganz und zeigt auf, was dieser wirklich ist: ein veritables Ekelpaket und rücksichtsloser Rüpel, der eben „eine Herzogin so behandelt, als wäre sie ein Blumenmädchen“. Traditionsgemäss bedient sich Klauser bei den musikalischen Nummern des Sprechgesangs, obschon er stimmlich durchaus in der Lage ist, den Part zu singen. Nico Deleu als Oberst Pickering ist äusserst elegant und Kavalier durch und durch. In den vielen Momenten, in welchen er zwar auf der Bühne ist, jedoch nichts zu sagen hat, bleibt der Schauspieler authentisch in der Rolle, ohne dabei jedoch mit übertriebener Mimik oder Gestik die Aufmerksamkeit vom Geschehen auf sich zu lenken. Und doch nimmt man Pickering durchgehend wahr. Wie schon erwähnt, übernimmt Dieter Ballmann nebst Produktion und Regie auch die Rolle von Elizas Vater Alfred P. Doolittle und macht den zwielichtigen „Moralisten“ zu einem eigenen kleinen grossen Highlight des Abends. Leider fielen wunderbare Momente dieser Rolle dem Rotstift zum Opfer. So kann der Müllkutscher bei seinem Besuch beim Professor sein „moralisches“ Sprachtalent kaum zur Geltung bringen. Im zweiten Akt wirkt deshalb Doolittles Erklärung, wie er durch Higgins’ Zutun zu Wohlstand kommt, an den Haaren herbei gezogen und dementsprechend unglaubwürdig, weil die Schlüsselstelle im ersten Akt dazu fehlt. Dieter Ballmann gefällt jedoch in der Darstellung des Müllkutschers sehr. Seine beiden Gesangsnummern geraten vergnüglich und mitreissend. Ein strenges Regiment im Hause führt Isolde Polzin als Mrs. Pearce. Das geht zuweilen etwas auf Kosten der mütterlichen Seite der Haushälterin. Der junge Manuel Buchmüller glänzt als Freddy Eynsford-Hill. Mit seiner sehr schönen Stimme berührt er als glühender Verehrer Elizas, der sich ganze Nächte vor Elizas Türe um die Ohren schlägt. Man glaubt ihm jedes Wort. Buchmüller bleibt in der Darstellung liebenswürdig authentisch. Gesanglich lässt er sich nicht zu Heldentenor-Aktionen, welche er nicht bewältigen könnte, hinreissen. Dadurch bleibt er musikalisch absolut ehrlich und nimmt dadurch dem Song den „Touch of Kitsch“. Wunderbar! Consuelo Perez liefert durch ihre umwerfend komischen Mimik in der kleinen Rolle der Mrs. Eynsford-Hill einen weiteren feinen, nachhaltigen Höhepunkt! Dietmar Fulde füllt die Parts des Arbeiters Harry und des Königs (im Song „Wart’ s nur ab …“) wunderbar aus und gefällt mit schönem Gesang. Besonders gefeiert wird an diesem Abend die „Grande Dame“ des Häbse-Theaters Hedy Kaufmann, welche mit grossem Auftritt als Mrs. Higgins dramatisch-verschmitzt über die Bühne rauscht und ihre Pointen knallhart setzt. Keine Chance für Higgins’ schlechte Manieren. Herrlich!!

Grosses Musical kann auch im kleinen Rahmen gelingen, das beweisen Dieter Ballmann und seine Künstler mit diesem Abend auf eindrückliche Art und Weise. Schade, ist dieser vergnüglichen Produktion nicht der Zuschauerzuspruch vergönnt, wie sie ihn verdient hat. Aber wer weiss: Gut Ding will Weile haben … – Das etwa zur Hälfte verkaufte Haus spendete dem Abend jedoch einen verdienten, lange anhaltenden, euphorischen Applaus.

Michael Hug

 

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