Theater Basel, Grosse Bühne: „DON GIOVANNI“
Eine Koproduktion des Theater Basel mit der English National Opera
Basler Premiere: 27. Januar 2017
Riccardo Fassi (Don Giovanni) , Anna Rajah (Donna Elvira). © Priska Ketterer
Eine grosse Oper, ein grossartiger Opernabend! Was es dazu braucht?
Eine Oper wie „DON GIOVANNI“, ein Sinfonieorchester in Hochform unter der Leitung eines hervorragenden Dirigenten, Sängerinnen und Sänger, welche ihre Rolle optimal interpretieren und eine Regie, welche ohne Firlefanz die Handlung auf die Bühne bringt. All dies war am Premierenabend im Theater Basel vorhanden!
Einen Don Giovanni zu inszenieren ist nicht einfach. Mozarts Werk zeichnet sich durch einen schnellen Handlungsablauf und bedingt zum Teil fliessende Szenenübergänge. Dies stellt Bühnenbauer und Regisseure vor einige Probleme. Die hohe Spielfreude der Protagonistinnen und Protagonisten, ihr müheloses Auftreten, zeigt dass hier ein Ensemble auftritt, welches unter der Regie von Engländers Richard Jones sein Bestes geben will, sein Bestes gibt. Das Bühnenbild des Amerikaners Paul Steinberg erlaubt fliessende Übergänge von der immer identischen Vorbühne zu immer wieder anderen Durchgängen, Durchblicken, Ansichten. Rezitative als Verbindungen zu den unterschiedlichen Szenen werden auf der Vorbühne abgehalten. Musikalisch fliessend öffnet sich diese zu den unterschiedlichen Szenenbildern. Auch die Ouvertüre wird auf der Vorbühne bebildert. Giovanni als Sexbesessener empfängt, unterstützt vom Türöffner Leporello, Damen jeglichen Alters ohne jegliche Emotionen zu zeigen. Interessant und für Besucher heute nicht mehr gewohnt ist die Personenführung der Regie: Die Arien werden relativ statisch gesungen, fast wie Rampensingen. Dies jedoch erlaubt den Sängerinnen und Sängern eine hervorragende musikalische Interpretation ihrer jeweiligen Rollen. Die Bewegung findet mehrheitlich während der Rezitative statt und auch durch gerade nicht singende Künstler. Der Regisseur verzichtet auf jeglichen Firlefanz, welcher nicht musikalisch begründet ist. Auch das Bühnenbild ist eher trist, farblos. Viele praktisch immer verschlossene Türen markieren die Ausweglosigkeit der einzelnen Schicksale.
Spannend ist die Charakterisierung von Don Giovanni in der Regie von Richard Jones. Jones inszeniert seinen Hauptdarsteller – ist das überhaupt Don Giovanni?- als wenig greifbare Persönlichkeit. Er ist eher eine halbgöttliche, hedonistisch/dionysische Figur ohne jegliche Empathie, narzisstisch auf sich selbst bezogen. Vieles in der Handlung bleibt unausgesprochen, wird aber durchwegs musikalisch ausgedrückt. Der Protagonist Giovanni agiert, seine Antagonistinnen und Antagonisten reagieren. Sein alter Ego, sein Janus-Kopf Leporello dagegen, – eigentlich er könnte die Hauptperson sein!- will im Dunstkreis seines Herrn bleiben.
Der italienische Bassist Ricardo Fassi singt und spielt den Don Giovanni überzeugend. Der aus Salerno stammende Biagio Pizzuti interpretiert den Leporello mit ausgezeichneter Diktion hervorragend. Kiandra Howarth, die junge australische Sopranistin gibt eine Donna Anna der Sonderklasse. Ihr Stimme ist frei von falschem Vibrato, ihre Verzweiflung ist überzeugend und ihre Diktion makellos. Der Tenor Simon Bode wirkt als Don Ottavio, trotz ansprechender Stimme, eher farblos. Die britische Sopranistin Anna Rajah überzeugt als in ihren Emotionen zerrissene Donna Elvira. Maren Favela als Zerlina und Nicholas Crawley als Masetto spielen das Paar aus dem Bürgertum. Zerlinas Stimme klingt „naiv und unschuldig. In ihrer Arie “ Batti, Batti“ überzeugt sie emotional und auch mit Körpersprache und Mimik. Der Brite Crawley als ewig unterlegener Masetto singt seine Arien hervorragend, seine Wut, sein Ärger wirkt nie aufgesetzt. Stimmgewaltig präsentiert sich Michael Hauenstein als Komtur und steinerner Gast.
Die Kostüme, dem eher farblosen Bühnenbild angepasst in schwarz und generell dunkel, wurden von Nicky Gillibrand entworfen. Eine Ausnahme bildet das schneeweisse Hochzeitskleid Zerlinas als Kontrapunkt und Abbild ihrer Naivität und Unschuld?
Die Lichtführung der Amerikanerin Mimi Jordan Sherin unterstützt unaufdringlich die Regie und Personenführung von Richard Jones.
Der Orchestergraben wurde für diese Produktion etwas angehoben, um dem Cembalo als Begleitinstrument der Rezitative eine bessere Präsenz zu geben. Das Sinfonieorchester Basel (SOB) unter der Leitung von Erik Nielsen überzeugt durch professionelle Präzision. Nielsens Dirigat ist schwungvoll, ohne je hektisch zu wirken, dies trotz den vielen von Mozart vorgegebenen Tempoänderungen (laut Harnoncourt 40).
Für Erik Nielsen sind die Rezitative wichtig als dramaturgische Verbindungen, aber ebenso unabdingbar für den musikalischen Fluss des Werkes. Aus diesem Grunde spielt er die Begleitung neben dem Dirigieren gleich selber, eine Praxis welche eine lange (seit dem 17./18. Jh) Tradition hat.
Der Chor des Theater Basel (Einstudierung Henryk Polus) präsentiert sich in guter Form.
Die Schlussszene zeigt wiederum Don Giovanni als unermüdlichen, aber emotionell nicht greifbaren Fliessbandarbeiter. Hierbei wird er wieder unterstützt von Leporello.
Ein wunderbarer Opernabend geht zu Ende. Der Applaus des Premierenpublikums ist eher verhalten. Hat dieses Premierenpublikum einen anderen Don Giovanni gesehen als ich?
Kiandra Howarth, Anna Rajah, Riccardo Fassi, Biagio Pizzuti, Simon Bode © Priska Ketterer
Peter Heuberger, Basel