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Basel/Elisabethenkirche Basel: KOPFLADÄÄRNLI – eine neue Basler Vorfasnachtsveranstaltung der ganz besonderen Art

21.02.2019 | Theater

Basel/Elisabethenkirche Basel: KOPFLADÄÄRNLI – eine neue Basler Vorfasnachtsveranstaltung der ganz besonderen Art

Bericht von der Premiere am 21.02.2019

Lang ist mittlerweile die Liste der Veranstaltungen, welche das Fasnachtsfieber und die Vorfreude auf die „drey scheenschte Dääg“ wecken sollen. Nun feiert in diesem Jahr das „Kopfladäärnli“ seine Uraufführung in einem einzigartigen Ambiente. Die Bühne der neuen Vorfasnachtsveranstaltung von Renato Salvi und seinem Ensemble gibt die offene Kirche Elisabethen in Basel. Zunächst hört sich die Wahl des Event-Ortes für eine derartige Veranstaltung ein wenig suspekt an, da man sich von solchen Anlässen einen bissigen, satirischen und manchmal unter die Gürtellinie rutschenden Humor gewöhnt ist. Es stellt sich also die Frage, ob der Austragungsort in einer Kirche wirklich passend ist. Tatsächlich eignet sich die Elisabethenkirche hervorragend für diesen Anlass und sticht als unvergleichlicher Veranstaltungsort heraus.

Beim Betreten des Saales wird das Publikum von einer leidenschaftlichen Herzenswärme empfangen. Die Kirche ist wunderbar stimmig ausgeleuchtet, alle Plätze bieten einen guten Blick zur Bühne und auf den Seiten sind Stände aufgebaut, an denen sich die Besucher mit Getränken und typischen Fasnachts-Spezialitäten, wie zum Beispiel heissen „Käskiechli“, verköstigen können. Der vermeintliche Verdacht bezüglich einer kalten oder steifen Atmosphäre widerlegt sich, bevor die Vorstellung überhaupt begonnen hat. Es entwickelt sich ein sympathisches Gemeinschaftsgefühl – möglicherweise haben das Kirchen so an sich – und die Vorfreude auf die bald beginnende Vorstellung wächst.

Eröffnet wird die Vorstellung mit dem Kopfladäärnli-Lied, was von Renato Salvi am Akkordeon, den Piccolo-Virtuosen „Piccobelli“, der Organistin Susanne Böke an der fantastisch klingenden Kirchen-Orgel und dem Kopfladäärnli-Ensemble dargeboten wird. Stimmiger könnte ein Einstieg kaum sein.


Das Kopfladäärnli-Ensemble: Sämi Moor, Bernadette Strittmatter, Michael Hug und Renato Salvi ©Marc Gilgen

Ein grosser und wichtiger Teil einer Vorfasnachtsveranstaltung sind natürlich die „Rahmestiggli“, welche von den „Rahmespiiler“ vorgetragen werden. Das „Kopfladäärnli“ präsentiert ein frisches Ensemble aus erfahrenen Theaterleuten und Fasnächtlern. Die Thematik der Rahmestiggli ist stets sehr aktuell und pointiert. Die professionelle Schauspielerin Bernadette Strittmatter, welche schon mit Ruedi Walter auf der Bühne stand, begeistert mit ihrer charmanten, unaufdringlichen und eleganten Spielweise unter anderem als die Stimme Gottes und einer genervten Ehefrau, die ihrem frisch arbeitslosen Mann gehörig einheizt. Der gestandene Rahmespiiler und Fasnächtler Sämi Moor überzeugt mit seiner lockeren Spielweise und sticht als provozierender Ehemann im Restaurant mit seiner ansteckenden „Lache“ oder als schmieriger Bewährungshelfer im Tram hervor. Das von der „Baseldytsche Bihni“ bekannte Ensemblemitglied Michael Hug gibt einen grandiosen Wirt einer schmuddeligen Spelunke und ist somit die satirische Antwort auf die aktuelle Beizen-Situation in der Stadt Basel. Renato Salvi ist Gründer/Produzent und Ensemblemitglied zugleich, dem man seine jahrelange Erfahrung als Komiker und Bühnenschauspieler anmerkt. Mit viel Wortwitz und einer trockenen Art versteht er es, das Publikum an seine Lippen zu bannen. Die von Frank Küster und Salvi geschriebenen Texte sind nie plump, sondern regen zum Nachdenken an, verführen das Publikum zu regelmässigen Lachchören und scheinen den Ensemblemitgliedern auf den Leib geschrieben zu sein. Besondere Beachtung verdient die „Drämmli“-Szene, in welcher die Ensemblemitglieder alle in ein privates Telefonat verwickelt sind. Ist jemand mitten im Satz, wird er von seinem Nachbarn unterbrochen, welcher über ein gänzlich anderes Thema spricht. Somit entsteht eine herrliche Situationskomik mit viel Doppeldeutigkeit. Den satirischen Höhepunkt erleben die Zuschauer in der Gedenkrede des als Priester gekleideten Salvi, welcher in seiner Ansprache den Tod des Menschenverstandes betrauert.


Das Rahmestiggli in der Spelunke mit unanständigen, allergischen Gästen und einem rüpelhaften Wirt. (Bernadette Strittmatter, Michael Hug, Renato Salvi und Sämi Moor) ©Marc Gilgen

Eine Besonderheit des Kopfladäärnli sind die sieben „Schnitzelbängg“, welche durch ihre satirischen Dichtungen aktuelle Themen behandeln und für viel Unterhaltung sorgen. Normalerweise sind zwei solcher Schnitzelbängg in einer Vorfasnachtsveranstaltung vertreten, weshalb die Schnitzelbangg-Begeisterten besonderen Gefallen an dem Kopfladäärnli finden werden. Alle Schnitzelbängg legen ein sehr hohes Versniveau an den Tag, wobei zwei Bängg besonders herausstechen. „S Echo vom Säntis“ ist der einzige Ostschweizer Schnitzelbangg, was durch den charakteristischen Dialekt und die teils ortsbezogenen Pointen frischen Wind in die Welt des Schnitzelbanggs bringt. Mit seinen „Zweizeilern“ sorgt er für grosses Gelächter im Publikum und bringt es zum Toben. Ebenfalls sticht der noch sehr junge Schnitzelbangg „s Källerdiirli“ heraus. Mit dem vemeintlich indischen „Helgeträger“ entsteht schon zu Beginn eine komische Szene. Auch er liefert sitzende Pointen mit viel Trockenheit.

Auch das Musikalische kommt nicht zu kurz. Die schon erwähnten „Piccobelli“ liefern ein gewitztes Medley, bestehend aus der Ouvertüre zu Gioachino Rossinis „Wilhelm Tell“, gespickt mit anderen „Gassenhauern“ der Musik wie die allbekannte Titelmelodie zur Zeichentrickserie „Heidi“. Natürlich geben sie auch einen traditionellen Fasnachtsmarsch zum Besten und dürfen nach dessen Beendigung laute Bravo-Rufe vom Publikum entgegennehmen. Susanne Böke gibt ein Fasnachtsmarsch-Medley an der Kirchen-Orgel aus dem Jahre 1864. Dabei wird sie auf der Empore von einer Kamera gefilmt, damit das Publikum der Musikerin beim Spielen des komplexen Instruments nicht nur zuhören sondern auch zusehen kann. Für einen anrührenden Moment sorgt Vital Jauslin in der Rolle eines Basler Obdachlosen, der seiner Herzensstadt Basel mit einem Sologesang huldigt, was beim Publikum auf erneute Begeisterung stösst.


Die stimmig ausgeleuchtete Elisabethenkirche mit Blick auf die Bühne. ©Marc Gilgen

Abschliessend darf allen Verantwortlichen und Mitwirkenden ein grosses Kompliment gemacht werden, dass sie das Risiko auf sich genommen und die Elisabethenkirche als Veranstaltungsort gewählt haben. Der Abend war geprägt durch eine intensive Festlichkeit, welche sich gut mit der Fasnacht verträgt, da diese im Grunde ebenfalls ein höchst festlicher Anlass ist, welche das Miteinander und nicht das Gegeneinander fördert. Das begeisterte Publikum bedankte sich mit energischem Applaus und einer Standing-Ovation, welche sich alle Beteiligten redlich verdient haben.

Philipp Borghesi

 

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