Theater Basel: „Der gestiefelte Kater“ – Pr. 27.11.2015
Schweizer Erstaufführung. Märchen von Thomas Freyer nach den Brüdern Grimm. Koproduktion des Theater Basel mit dem Vorstadttheater Basel.
Leonie Merlin Young, Dominique Müller, Gina Durler, Vincent Leittersdorf ©Sandra Then
Im Gegensatz zu seinen älteren Brüdern erbt Hans von seinem Vater nur einen unnützen Kater. Doch so unnütz ist dieser gar nicht: Mit List macht er einen König glauben, Hans sei ein Graf – mit Schloss und allem, was so dazu gehört. Das beeindruckt den König so sehr, dass er Hans seine Tochter zur Frau gibt.
Thomas Freyer gestaltet das berühmte Märchen der Gebrüder Grimm ein bisschen realistischer: Der König hat Geldsorgen und entlässt praktisch das gesamte Personal, weswegen sein getreuer Diener Gustav abwechselnd in die Rolle des Kochs, des Jägers, des Musikers etc. schlüpfen muss, was natürlich herrlich komisch ist. Die Prinzessin entpuppt sich als verwöhnte Göre, die ihre Puppen auch mal umherschmeisst und sich in Wutanfällen austobt. Und Hans entspricht mit seinem Bierbauch und der Halbglatze auch nicht gerade der Idealvorstellung vom schönen Helden.
Matthias Grupp inszeniert das Märchen als Vorstellung einer Schauspielertruppe: Die „Tornados“ sind zu spät dran, die Bühne wird noch von einem Mann mit Putzwagen gereinigt, die Kostüme sind noch nicht angezogen, und so purzeln die Schauspieler in ihrer Hektik übereinander, bis alles sitzt wie es soll. Ein kubusartiges Gebilde (Bühne: Fabian Nichele) öffnet sich zur Schlossbühne, nicht ohne jede Menge Pannen und herabfallende Fassaden.
Schauspielerisch herausragend sind Vincent Leittersdorf als lamentierender, völlig lebensuntüchtiger und realitätsferner König und Gina Durler als sein durch seine vielen Rollen völlig gestresster Diener Gustav. Aaron Hitz brilliert vor allem mit seinem vollen Körpereinsatz als Kater, rennt schon mal Wände hoch, gelegentlich auch ohne Seil. Dass Leonie Merlin Young ihre Rolle als Prinzessin gut spielt, erkennt man daran, dass das verwöhnte Gör nicht nur ihrem Vater, sondern auch dem Zuschauer bald unheimlich auf die Nerven fällt. Dominique Müller als Hans ist offensichtlich kein professioneller Schauspieler, vielleicht liegt’s aber auch nur daran, dass er seine Rolle auf Schweizerdeutsch sprechen muss.
Das Stück wird von zwei Gruftie-Musikern (Musiker und Musik: Dominik Blumer, Florian Grupp) begleitet, die Musik ist aber meist aus bekannten Quellen geklaut.
Es scheint Matthias Grupp ein Anliegen zu sein, Erwartungen zu enttäuschen: So wie die Stiefel des Katers keine Musketierstiefel sondern coole glitzernde blau-rote Cowboyboots sind (Kostüme: Eva Butzkies), so entspricht keine der Figuren den Märchenfiguren. Das ist ja eigentlich ganz zeitgemäss, aber es scheint, als hätte man sich nicht entscheiden können, ob man hier für Kinder oder für Erwachsene inszeniert. Schon die alte „Schauspiel im Schauspiel“-Leier hätte man hier getrost weglassen können. Die überwiegende Mehrheit des Publikums war im Alter von 6 bis 12 Jahren. Ist es wirklich nötig, Menschen schon in diesem zarten Alter zu desillusionieren? Meine 10-jährige Begleitung fand es jedenfalls „doof, dass die Prinzessin so blöd und der Prinz so hässlich war“.
Darauf wäre sie doch in ein paar Jahren selbst gekommen.
Alice Matheson