BASEL: CAROUSEL – You’Il never walk alone!
Theater Basel – GrosseBühne – Rodgers & Hammersteins „CAROUSEL“ – Pr. 15.12.2016
Es geht lustig zu und her: Maren Favela (Carrie Pipperidge), Cheryl Studer (Nettie Fowler) und Chor des Theater Basel, Foto: Simon Hallström
Zum ersten Mal unter der Direktion von Andreas Beck stellt das Theater Basel eine Produktion auf die Beine, an der alle drei Sparten (Oper, Ballett und Schauspiel) gleichermassen beteiligt sind. Dies ist schon rein dispositionell gesehen eine Mammutaufgabe. Welches Genre würde sich dafür besser eignen als das Musical? Dies dachten sich auch die Verantwortlichen des Theater Basel und so wurdedas Musical „Carousel“ von Richard Rodgers (Text) und Oscar Hammerstein II (Musik) auf den Spielplan gesetzt. „Carousel“ basiert auf dem Schauspiel „Liliom“ (1909) von Ferenc Molnár.
Bereits der an musikalischen Motiven reich ausgestattetePrologbietet viel Raum für ein buntes, ausgedehntes Defilee aller Beteiligten, die tanzend und spielend über die Bühne huschen. Ein grossesMetallgerüst, das mit Glühlampen bestückt ist, stellteine abstrakte Form des Karussellsdar (Bühne: Stefan Mayer). Es trägt die Aufschrift „Heaven“, als Sinnbild dafür, dass man auf dem Karussell, in eine andere (vielleicht bessere) Welt eintauchen kann. Auf dem Rummelplatz arbeitet der gut aussehende Billy Bigelow als Ausrufer, um Kundschaft (vorwiegend junge Mädchen) aufs Karussell zu locken. Die Rolle wird interpretiert von Stefan Zenkl, der kurzfristig für den erkrankten Christian Miedl eingesprungen ist und die Rolle zum allerersten Mal überhaupt auf der Bühne präsentiert. Er legt eine den Umständen entsprechend überzeugende Darbietung dar, obschon er die Songtexte von einem Spickzettel ablesen muss.
Bryony Dwyer(mit zart-schmelzendem Sopran und ausdrucksstarkem Spiel) als Textilarbeiterin Julie Jordan fühlt sich von Billy magisch angezogen. Billy und Julie verlieben sich. Aus Eifersucht wird Billy von seiner Chefin, Mrs. Mullin (Myriam Schröder), entlassen. Julies Freundin Carrie Pipperidge (Mezzosopranistin Maren Favela) indesführt eine Beziehung mit dem geschniegelten Enoch Snow, einem Mr. Perfect, bei dessen Anblick sämtliche Chordamen in Ohnmacht fallen.Als Julie Billy eröffnet, dass sie schwanger ist, sieht Billy die Kriminalität als einziger Ausweg aus den Schulden. Zusammen mit seinem Kumpanen Jigger Craigin(stets souverän: Andrew Murphy) plant er einen Raubüberfall auf den Fabrikdirektor David Bascombe. Doch der Plan scheitert und Billy nimmt sich das Leben. In einem rührenden Monolog gesteht Julie dem sterbenden Billy ihre bedingungslose Liebe, obwohl dieser sie des Öfteren tätig angegriffen hat. Nettie Fowler (hochkarätig besetzt mit Chreyl Studer), die Billy und Julie Unterschlupf gewährt hat, spendet Julie Trost und stimmt den heute vor allem aus dem englischen Fussball bekannten Song „You’Il never walk alone“ an. Der pathetische Gesang wird jäh von der Stimme des Inspizienten aus dem Off unterbrochen, der die Bühnenarbeiter zum Umbau in den Himmel auffordert. Nicht nur an dieser Stellebricht der österreichische Regisseur Alexander Charim bewusst die Theaterillusion, indem er den Theaterapparat offenlegt. Das Publikum wird so absichtlich immer wieder aus dem illusorischen Theaterkarussellherausgerissen. Es wird verdeutlich, dass auch die Bühne nur eine andere Wirklichkeit behauptet.
Billy findet sich im Hinterhof des Himmels wieder und erhält von den Sternwärtern (Mario Fuchs und Thomas Reisinger) die Chance, nach 15 Jahren noch einmal für einen einzigen Tag auf die Erde zurückzukehren. Er sieht seine älter gewordene Tochter Louise (Anne Sauvageot), die von ihren MitschülerInnen als Verbrecherkind gemobbt wird.Jegliche Annäherungsversuche seinerseits scheitern. Das Ballett des Theater Basel setzt diese Sequenz tänzerisch wunderbar um (Choreografie: Richard Wherlock).Das Stück endet relativ abrupt mit einer bewegenden Rede des Direktors an Louises Schulabschlussfeier.
„Carousel“ ist ein Musical um Akzeptanz und Ausschluss aus der Gesellschaft, um Gewalt und Liebe und ruft zum Zusammenhalt auf. Diese Themen kommen in der Inszenierung allesamt zum Tragen. Bisweilen überwiegt jedoch der Hang zum Klamauk und Kitsch, sodass die tiefer greifenden Themen in den Hintergrund gedrängt werden.
Die Kombination aus den deutschen Dialogen und den englischen Songtexten ist gut gewählt. Der Übergang vom Sprechen zum Singen hätte zum Teil noch nahtloser erfolgen können. Dies kann aber unter Umständen auch mit der kurzfristigen Umbesetzung der männlichen Hauptrolle zusammenhängen. Auch sind die Dialogstellen zuweilen etwas langatmig. Diese hätte man noch einstreichen können.
Die drei Sparten agieren zwar parallel auf der Bühne, vermischen sich jedoch selten. Vor allem die Beteiligten der Ballettcompagnie zeigen überzeugende Tanzeinlagen, bleiben aber unter sich. Die Vermischung von Schauspiel und Oper gelingt insbesondere in der witzigen Ménage à trois zwischen Carrie und ihren beiden Mr. Snows. Der Regisseur doubelt die Figur des Snow mitdem Opernsänger Nathan Haller (mit einem Flair zur Komik und schönem Tenor)und dem Schauspieler Mario Fuchs. Letzterer ist in allen seinen vier Rollen (neben Mr. Snow noch David Bascombe, Erster Sternwart und Enoch Snow jr) grandios. Der Chor des Theater Basel versprüht unter anderem mit seinen ausgeflippten Kostümen von Ivan Bazak Schwung und Heiterkeit.
Ansi Verwey, Studienleiterin am Theater Basel, hat die musikalische Leitung inne. Sie dirigiertselbstbewusst und tänzerisch. Die Musikerinnen und Musiker der Basel Sinfonietta überzeugen durchwegs. Das Publikum zollt den Beteiligten warmen Applaus.
Carmen Stocker