Basel: Baseldytschi Bihni, Kellertheater im Lohnhof – Teatro Mobile – Jordi Galceran: Die Grönholm Methode
– 24.01.2020
Bis aufs Messer
Sarah Thommen, Michael Laubscher, Marcel Gloor, Floriane Schmid (Foto: Michael Hug)
Allerspätestens seit «Der Gott des Gemetzels» erfreuen sich die kammerspielartigen, giftigen, ans Bösartige grenzenden Stücke, in welchen wenige Personen mehr oder weniger zufällig aufeinander stossen und sich dann gnadenlos demontieren, wachsender Beliebtheit. Die wendungsreichen, tiefgründigen Stücke sind dankbare Werke auch für kleinere Ensembles, welche ihr Publikum (und sich selbst) fordern und hochstehende Unterhaltung bieten wollen– so wie es das Teatro Mobile, eine Kleinformation der Theatermühle Arisdorf, tut.
Vergangene Spielzeit führte die Vierpersonen-Truppe das Publikum mit Daniel Glattauers «Die Wunderübung» aufs Glatteis. Heuer steht «Die Grönholm Methode» des Katelanen Jordi Galceran auf dem Programm. Vier Bewerber sind im Auswahlverfahren für einen Direktorenposten. Sie alle sind zu ein und demselben Zeitpunkt zum Bewerbungsgespräch geladen. Ein Gespräch, das in einem Büro stattfindet, jedoch von niemandem der Firma geleitet wird. Anhand von Übungen, welche den beiden Bewerberinnen und Bewerbern via Tablett übermittelt werden, sucht die unsichtbar bleibende Firmenleitung den Wunschkandidaten. Es vergehen keine zehn Minuten, und es läuft ein gnadenloser Showdown. In dem Vierpersonenstück bleibt bei jeder «Schicksalsaufarbeitung» kein Stein auf dem anderen und am Schluss … ja, eben der Schluss: Darüber schreibt bzw. spricht man gerade bei solchen Stücken nicht. Messerscharf zeigt Galceran mögliche Methoden der Personalauswahl auf – und als Zuschauer in einem gewissen Alter ist man froh, wenn man sich (hoffentlich) einem solchen Alptraum nicht mehr aussetzen muss.
Michael Laubscher, Sarah Thommen, Floriane Schmid, Marcel Gloor. (Foto: Michael Hug)
Die vier SchauspielerInnen des Teatro Mobile liefern unter der Regie von Jürg Matt eine veritable Meisterleistung. Subtil arbeitet Matt das Beste und das Schlimmste aus den Figuren heraus. Dabei darf er sich auf sein vierköpfiges Ensemble voll und ganz verlassen. Floriane Schmid gibt die vermeintlich verständnisvolle Kandidatin, welche mit ihrem Beziehungsleben im Clinch liegt und dabei auch für die Anliegen ihrer Mitmenschen ein offenes Ohr hat, genau so überzeugend, wie Sarah Thommen, welche als kühle Sekretärin in weisser Bluse, grauem Kittel und ebensolchem Jupe versucht, den Überblick zu bewahren und an einer schweren persönlichen Entscheidung beinahe zu scheitern droht. Ein grosses Geheimnis hütet in seiner Rolle Michael Laubscher, der zuerst grossspurig seine Konkurrenten unter Druck setzt. Selbstredend wird das Geheimnis gelüftet – sonst wäre es ja kein Geheimnis mehr. Meisterhaft, wie Laubscher die Demontage seiner Figur auf die Bühne bringt! Und über allem schwebt der grosse Zyniker, welcher sich souverän gegen alles und jeden stellt. Ihn interessiert nicht, ob man ihn mag oder nicht. Gnadenlos schlägt er in die Wunden seiner Mitbewerber. Mit geschickter Kombinatorik und Rhetorik bringt er es (vermeintlich) fertig, sich über alle hinweg und sich selbst ins Recht zu setzen – aber eben: vermeintlich. Marcel Gloor verleiht seiner Rolle die bissige Boshaftigkeit in unüberbietbarer Art und Weise. Jede Pointe sitzt, provoziert zum Lachen, das einem dann umgehend im Halse stecken bleibt. Genussvoll zieht Gloor mit seiner Darstellung die Abneigung aller an sich beziehungsweise seine Rolle – eine absolut bravouröse Leistung!
«Die Gröhnholm Methode» mit dem Teatro Mobile – grosse Kunst auf einer kleinen Bühne!
Michael Hug