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BASEL: AMPHITRYON – Lustspiel von Heinrich von Kleist nach Molière, Premiere

12.01.2018 | Theater

Theater Basel: „Amphitryon“, Lustspiel von Heinrich von Kleist nach Molière, Pr: 11.1.2018

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© Priska Ketterer

Schon in der Antike (Hesiod, Sophokles, Plautus) war die Story, wie Göttervater Zeus resp. Jupiter die schöne Alkmene in Gestalt ihres Gatten Amphitryon (was nicht grundlos „der doppelt Geplagte“ bedeutet) verführt, äusserst beliebt. Begleitet wird Jupiter hier vom Götterboten Merkur, der die Gestalt des Dieners Sosias annimmt, der Versuchung, dessen stets keifende Gattin Charis zu verführen, kann dieser aber prima widerstehen.

Hausregisseurin Julia Hölscher inszeniert die Verwechslungskomödie puristisch, wodurch wieder einmal deutlich wird, dass gut gespieltes Theater mit sehr wenig Aufwand auskommt. Sie schränkt nicht ein, überfrachtet nicht, gibt dem Text Raum zu wirken, was besonders bei Kleist belohnt wird. So reichen die Verlängerung der zeitlosen Mäntel und Hosen (Kostüme: Janina Brinkmann), um die göttlichen Gestalten als solche auszuzeichnen. Abfallsäcke als dunkle Wolken, aus denen Jupiter seine Blitze schleudert, die Narbe des Amphitryon, die auch Jupiter als solcher an der Wange trägt: Schon ist die Illusion perfekt. Ein grosser Applaus gebührt auch der Bühnenausstattung (Paul Zoller), die im Wesentlichen aus einer sich drehenden eisernen Doppelwand besteht, die im letzten Akt lautstark  umfallen darf – schliesslich werden dann auch die falschen Identitäten offenbar – und schliesslich als Boden sozusagen der Realität dient. Genial ist der grosse Spiegel, der in verschiedenen Winkeln den Zuschauern die andere Seite der Mauer zeigt, die sich wiederum unaufhörlich dreht und die Akteure langsam aber sicher in den Strudel des Wahnsinns treibt. Tatkräftig unterstützt wird das Treiben durch die „Musik“ von Martin Gantenbein, eine Geräuschkulisse aus Seufzern, Stöhnen, teils verzweifelter teils lüsterner Art, gelegentlich aber auch hauchend das Herannahen der Götter ankündigend. Die ausgezeichnete Lichtführung von Cornelius Hunziker sollte ebenfalls nicht unerwähnt bleiben.

Was diese Produktion aber herausragend macht ist das durchwegs auf hohem Niveau spielende Ensemble, das die starken Wandlungen der Protagonisten mehr als glaubhaft verkörpert: Florian von Manteuffel lässt den anfangs eher sanguinisch auftretenden titelgebenden Feldherrn zusehends verzweifeln. Herrlich wie er schliesslich vom Schicksal geschlagen in passivem Frust – im Gegensatz zu Kleist – überhaupt nicht begeistert ist von dem Gedanken, einen Sohn des Göttervaters aufzuziehen (auch wenn dieser als Herkules einmal grosse Taten vollbringen wird). Ihm gegenüber lässt Urs Peter Halter den anfänglich arroganten Casanova Jupiter vor dem gerührten Publikum langsam zu einem traurigen, doch nur als er selbst geliebt werden wollenden vermenschlichten Abbild eines Gottes zerbrechen. Zwischen den beiden taumelt Pia Händler als Alkmene wie betrunken vom göttlichen Liebesrausch langsam in den sich steigernden Wahnsinn mit Abstechern in Wut, Verzweiflung und totale Aufgabe. Mit vollem Körpereinsatz und komödiantischem Talent erleidet Nicola Mastroberardino als Sosias die Schläge des Jupiter, des Amphitryon, des Merkur und seiner Frau gleichermassen und stolpert mit Halskrause und Beinschiene schreiend komisch durch die Produktion. Als sein Doppelgänger Merkur schlurft Mario Fuchs herrlich gelangweilt-lakonisch durch das Stück wie ein Teenager, der lieber bei seiner X-Box wäre. Vor des Sosias Weib Charis (verkörpert durch eine wunderbar keifende Leonie Merlin Young) haben sie aber beide Respekt.

Im überdimensionalen Spiegel sehen die Zuschauer nicht nur beide Seiten der Wand sondern auch gelegentlich sich selbst. Und fragen sich: Ist alles so, wie es scheint? Bin ich ich? Und wenn nicht?

Für einmal die absolut volle Punktzahl.

Alice Matheson

 

 

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