Giuseppe Verdi: Aida, Gran Teatre del Liceu, Barcelona, Vorstellung: 22.01.2020
(7. Vorstellung seit der Premiere am 13.01.2020)
Plötzlich erscheint Zeffirelli als Asket
Aus Anlasse der Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag der Wiedereröffnung des Liceu nach dem schweren Brand vom 31. Januar 1994 leistet sich das Opernhaus von Barcelona «An Aida for all times, in a classical production». Dazu wurde die hyperrealistischen Bühnenbilder des katalanischen Malers Josep Mestres Cabanes (1989-1990) aus dem Jahre 1945 restauriert. Seine gemalten Kulissen überzeugen durch ihren enormen Detailreichtum, grossartige Farben und perfekte dreidimensionale Wirkung. Als einen Grund diese Produktion nicht zu verpassen («Reasons not to miss «Aida») argumentiert das Liceu: «This emblematic Liceu show transports us from the 21st century back to the 1940s». Die Kulissen sind der einzige historische Bestandteil der Produktion.
Regisseur Thomas Guthrie verdeutlicht in seinem Konzept das Illusionistische der Malerei. Am Anfang und am Schluss ist auf der leeren Bühne im weissem Halbkreis ein Kind zu sehen, das in einem mit Sand gefüllten Tablett zeichnet. Da die Kulissen über weite Strecken die Bühnentiefe auf vier oder fünf Meter reduzieren, ist eine wirkliche Personenführung, auch angesichts des zahlreichen singenden und tanzenden Personals kaum je möglich. Die Kostümbildnerin Franca Squarciapino hat ihre Arbeit auf die Arbeit von Mestres Cabanes abgestimmt und entsprechend höchst ästhetische und höchst klassische Kostüme geschaffen. Das Stichwort «Hyperrealismus» dürfte auch im Konzept des Choreographen Angelo Smimmo auftauchen. Das muss aber nicht bedeuten, dass sich seine Arbeit harmonisch in den Rest einfügen würde. Warum er die Tänzer zuerst als lachende, zappelnde Irre zeigt und dann – hyperrealistisch – einen Kampf auf Leben und Tod zeigt, den nur einer überlebt, lässt sich nicht nachvollziehen.
Foto: A. Bofill
Das Orquestra Simfònica del Gran Teatre del Liceu spielt eine absolut hervorragende Vorstellung. Hier bleiben keine Wünsche offen. Höchst aufmerksam folgen die Musiker jedem noch so kleinen Zeichen von Gustavo Gimeno (Musikalische Leitung), der das Geschehen im Graben und auf der Bühne immer fest im Griff hat und sich als hervorragender Sängerbegleiter erweist.
Der Cor del Gran Teatre del Liceu macht mit seinem phänomenalen, satten, runden Klang den Abend zum Ereignis. Chordirektorin Conxita Garcia hat hier ganze Arbeit geleistet.
Foto: A. Bofill
Mariano Buccino gibt den König mit markantem, kräftigen Bass. Clémentine Margaine überzeugt als Amneris mit sattem Klang und grosser Bühnenpräsenz. Angela Maede hat als Aida leider einen ganz schlechten Abend. Einwandfrei stehen ihr nur die Tiefen zu Verfügung. Bereits in der Mittellage, vor allem aber in der Höhe und im Forte, wird die Stimme schneidend schrill. Als ihr in der grossen Arie im dritten Akt der Ton zweimal im Hals stecken bleibt, reagiert das Publikum brutal mit kollektivem, eisernen Schweigen. Yonghoon Lee kann als Radamès nicht überzeugen. Er singt den ganzen Abend über unter unangenehm hörbaren Druck und die Stimme klingt zudem entweder verschattet, so dass der Text kaum zu verstehen ist, oder rauchig. Kwangchul Youn orgelt dich als Ramfis durch den Abend. Lichtblick der Besetzung an diesem Abend ist Franco Vasallo. Er lässt gepflegte italienische Gesangskultur hören und zeigt, dass man Aida auch ohne Druck und veristische Zutaten bestreiten kann. Josep Fadó und Berna Perles ergänzen das Ensemble als Bote und Priesterin.
Fazit: Nicht jede Restaurierung einer Produktion ist gerechtfertigt.
Weitere Aufführungen: 27.01.2020, 28.01.2020, 30.01.2020, 31.01.2020, 01.02.2020, 02.02.2020.
24.01.2020, Jan Krobot/Zürich