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BARCELONA/ Gran Teatre del Liceu: LES PECHEURS DE PERLES

Els pescadors de perles el repte (Die Herausforderung): Reality-Oper am Gran Teatre del Liceu

24.05.2019 | Oper

Georges Bizet: Les Pêcheurs de Perles, Gran Teatre del Liceu, Barcelona, 22. und 23.05.2019

 (Produktion: Theater an der Wien; 7. und 8. Vorstellung seit der Premiere in Barcelona am 13.05.2019)

 Els pescadors de perles el repte: Reality-Oper am Liceu

Gut fünf Jahre nach dem Theater an der Wien (Premiere Wien Sonntag, 16. November 2014) hat dessen Produktion nun am Gran Teatro del Liceu in Barcelona Premiere gehabt.

Die Inszenierung von Lotte de Beer überzeugt durch ihre gelungene Modernisierung des Stoffes. Die Geschichte der Perlenfischer wird hier als Reality-Show fürs Fernsehen gedreht. Dazu werden erstmal die ärmlichen Behausungen der Perlenfischer grob zerstört und dann fernseh- und gesellschaftstauglich (sie könnten genau so gut in einem Ferien-Resort stehen) wieder errichtet. Bei Bedarf werden zusätzliche, mobile Hütten aufgestellt. Nouarabad ist der Moderator, sein ganzes Team mit Stylisten und allem, was dazu gehört, ist die ganze Zeit über auf der Bühne.

Bildergebnis für barcelona les pecheurs des perles

© A. Bofill

 

Im Hintergrund der Bühne ist ein eiförmiger Aufbau (passt gut zu den modernen Bauten Barcelonas) zu sehen, auf dessen Vorhang entweder Video-Einblendungen (Finn Ross) gezeigt werden oder der den Durchblick frei gibt auf neuen durchschnittliche Mietwohnungen, in den die Bewohner jeweils gemeinsam vor dem Fernsehen sitzen. Naturgewalten sind im Indien der Gegenwart genau so aktuell wie im Ceylon Bizets und so zeigen die Videos zu Beginn nicht nur Sandstrände und sattgrüne Wälder.

Für den zweiten Akt hat Bühnenbildnerin Marouscha Levy eine Kopie eine indischen Tempels geschaffen.

Bildergebnis für barcelona les pecheurs des perles

© A.Bofill

 

Im dritten Akt ist der Scheiterhaufen für Leila und Nadir über den Ruinen der Bauten des ersten Akts errichtet.

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© A.Bofill

In diesem Rahmen wird nun die Reality-Show fürs Fernsehen (Kostüme: Jorine van Beek) gedreht. Zu Beginn wird der Anführer der Perlenfischer gewählt: Zurga setzt sich gegen Amelie und Noah durch, nachdem jeder Kandidat mit seinen Parolen und einem kurzen Video-Clip vorgestellt wurde. Durch die Verlegung der Handlung in die heimische Gegenwart und ihre Dekonstruktion gelingt es de Beer die Zeitlosigkeit des Themas, der Gewissenlosigkeit der Liebe (die hier nicht nur persönliche Schicksale sondern auch die Gesellschaft, die Gemeinschaft der Perlenfischer gefährdet), herauszustreichen. Mehrfach werden auch die Abstimmungsresultate der Fernsehzuschauer eingeblendet: «Mort» (Tod) oder «Perdo» (Vergebung) stehen zur Auswahl. Der Show-Charakter, das Theater im Theater wird weiter betont: Ist die Zeremonie zu Beginn des zweiten Aktes abgeschlossen, zieht sich Leila um und muss mit dem Boden, einer Decke und einem Kissen als Nachtlager vorlieb nehmen. Erinnert sich Leila an die Rettung des Fremden, ist im entsprechenden Video zu sehen, dass sie als kleines Kind schon «bürgerlich» wohnte. Als Nourabad Ende des zweiten Akts über das Schicksal von Leila und Nadir urteilen will, unterbricht ihn Zurga: Ich bin der König, ich entscheide, nicht die Medien! Diese Szene ist Medienkritik, kann in extremis aber auch als Kirchenkritik gelesen werden. Gleich darauf aber nutzt auch Zurga, wenn er nach dem aufgedeckten Verrat, an die Kamera gerichtet, fordert: «Rächt Euren König!» Die Lichtpause vor dem letzten Akt wird mit Stimmen der Strasse zur Show und dem Schicksal der Protagonisten. Stellvertretend das Statement eines kleinen Jungen: «Sterben sollen sie, denn ich habe noch keinen so (er meint auf dem Scheiterhaufen) sterben sehen». Schliesslich erkennt Zurga seine Retterin und befreit sie und Nadir und verhilft ihnen zur Flucht. Der aufgebrachte Mob drängt den eigenen König auf den Scheiterhaufen. Connection lost. Die Oper ist zu Ende…

Auf Grund der eng getakteten Serie hat das Liceu zwei Besetzungen engagiert. Jene des 22. Mai entspricht der Premieren-Besetzung.

Als Leila sind Ekaterina Bakanova (22.05.) und Olga Kulchynska (23.05.) verpflichtet.In diesem Vergleich hat Bakanova eindeutig besser abgeschnitten: sie hat neben einer bemerkenswerten Technik, eine volle, runde Stimme, der der französische Stil eindeutig besser liegt. Kulchynska hat ebenfalls eine gute Technik, ihrer Stimme fehlt aber die nötige Wärme, so dass es teilweise schneidend kühl, nie duftig wurde. Bei den Tenören fällt die Wertung weniger eindeutig aus: John Osborn (22.05.) überzeugte durch Technik und Erfahrung, wohingegen Dmitry Korchak (23.05.) die Nase in Sachen französischen Stil etwas vorne hat. Bei Osborn waren die höhen Töne eine sichere Bank, wohingegen bei Korchak nicht immer klar war, ob der Einsatz der Kopfstimme gewollt war. Michael Adams l22.05.) als Zurga überzeugte durch stimmliche und szenische Präsenz. Borja Quiza (23.05.) sang seine Rolle zufriedenstellend, mehr aber auch nicht. Hier ist in mehrfacher Hinsicht noch Luft nach oben. Fernando Radó war an beiden Tagen als «Oberpriester der Medien»  im Einsatz und hat seine Aufgabe hervorragend gemeistert.

Der «Cor del gran teatre del Liceu» (vorbereitet von Conxita Garcia) verkörperte die Fernsehzuschauer in ihren Wohnungen. Immer präsent, geriet ihm die Platzierung in der Tiefe der Bühne doch etwas zum Nachteil.

Yves Abel oblag die musikalische Leitung des Abends. Das «Orquestra simfonica del gran teatre del Liceu» spielt routiniert, viel zu routiniert auf. Mehr als Dienst nach Vorschrift war an beiden Abenden nicht geboten.

Es war weder bei den Solisten noch bei Chor und Orchester Begeisterung zu spüren und so sprang der Funke nur sehr bedingt aufs Publikum über.

Die Vorstellung vom 25.05.2019 wird von Radio Catalunya Música live übertragen.

Weitere Aufführungen: 24.05.2019 und 25.05.2019

 

24.05.2019, Jan Krobot/Zürich

 

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