BADEN / Stadttheater:
XANADU von Jeff Lynne und John Farrar
Österreichische Erstaufführung
Premiere: 12. Jänner 2013
Wer „Xanadu“ sagt, denkt an Kino, an das Schloss von „Citizen Kane“, an den Film mit Gene Kelly. Und wenn er Anglist oder sehr gebildet ist, denkt er auch an das wundervolle Gedicht von Samuel Taylor Coleridge über Xanadu als den paradiesischen Palast, den Kublai Khan sich bauen ließ. Jetzt erscheint „Xanadu“ als die Musical-Fassung des Films von 1980 auf den Brettern des Badener Stadttheaters und legt wieder einmal Zeugnis davon ab, wie mutig man hier immer wieder nach Neuem sucht. Und die Broadway-Kritiken waren, als dieses Musical 2007 herauskam (immerhin hat man mehr als ein Vierteljahrhundert seit dem Kinoerfolg verstreichen lassen!), durchaus jubelnd. Aber…!
Dennoch hätte man bedenken sollen, dass es seine Gründe hat, dass dieses Werk noch nicht seinen Weg um die Welt machte. Die Beschwörung der „Eighties“, dort, wo sie am trashigsten waren, wirkt nämlich weniger nostalgisch als altmodisch. Vor allem bis zur Pause schleppt sich die Geschichte des Künstlers Sonny Malone in Santa Monica, California, entsetzlich. Gut, die neun Musen tauchen auf, und im Handy-Zeitalter hört vielleicht mancher Theaterbesucher erstmals, dass es sie überhaupt gibt – ein bisschen Nachhilfe in griechischer Mythologie, wie man sie auch manchmal im Kino bekommt. Klio beschließt, sich Kira zu nennen und dem jungen Mann unter die Arme zu greifen. Der Weg, bis sie den Geschäftsmann Maguire dazu bekommen, ihnen ein leeres Riesengebäude für eine Rollschuh-Disco zur Verfügung zu stellen, zieht sich gnadenlos.
Im zweiten Teil legt das Geschehen ein bisschen an Tempo zu, nicht zuletzt durch die klassische Kabarettnummer: Bei Zeus im Olymp, zankende Göttinnen, schrecklicher Wirbel, mäßige Witze, aber immerhin. Dann ist es nicht mehr weit bis zum Ende, wo es endlich zur Sache geht: Denn „Xanadu“ gilt als „Rollschuh“-Musical, aber bis dahin hat gerade Heldin Klio Rollschuhe unter den Füßen, ohne irgendetwas damit anzufangen.
Die Schlussszene, wo dann alle „rollen“, fällt jedoch äußerst kläglich aus – Künstler in diesem Fach ist hier keiner (nur drei Tänzer können sich hier einigermaßen bewegen ), tatsächlich herrscht bei dem allgemeinen steifen (teils panischen) Gewackel nur die Angst, irgendjemand könne sich coram publico alle Knochen brechen. Sicher, die Badener Bühne bietet rein flächenmäßig keinen Raum für besondere Kunststücke (aber es handelt sich ja auch nicht um „Starlight Express“, wofür man einst in London Rollbahnen im Achterbahnstil durch den Zuschauerraum gelegt hat!) – doch wenn man eine angekündigte Attraktion nicht erfüllen kann, warum dann überhaupt?
Zumal, ehrlich gesagt, der musikalische Anteil der Sache (Jeff Lynne und John Farrar) so dürftig ist wie die Story, die auf dem Buch von Douglas Carter Beane basiert. Kurz, man hätte es beim Broadway-Erfolg belassen sollen – und ein besseres Musical für Baden suchen. Auch ist Inszenierungs-Choreographie, im Doppelpack verantwortet von Ricarda R. Ludigkeit, nicht mehr als ordentlich. So richtig sprühend, mitreißend fällt da gar nichts aus.
Dagmar Bernhard ist die blonde Klio, Andreas Wanasek ihr blonder Sonny, und wenn „sympathisch“ genügt, dann sind sie passende Besetzungen. Etwas mehr bekommt man von Martin Niedermair in der Rolle des Grundstückstycoons, der dann auch als gequälter Vater Zeus albern darf. Dass zu den deutschen Dialogen die Songs auf Englisch gesungen werden, damit kommen alle bestens zurecht.
Aus der Menge der Musen – drei der neun Damen sind mit Herren besetzt, aus welchen Gründen auch immer – ragen Melpomene (Ariane Swoboda) und Kalliope (Tina Schöltzke) heraus, weil sie in einer Nebenhandlung als durchwegs kreischende Intrigantinnen auftreten dürfen. Der Rest des Ensembles teilt sich das Götter- und Halbgötter-Gesocks in der nicht sehr phantasievollen, aber praktischen Ausstattung von Thomas Stingl. Das Orchester dröhnte unter der Leitung von Oliver Ostermann wacker die mediokre Musik.
Immerhin, der Altersdurchschnitt des Badener Publikums schien bei dieser Premiere spürbar gesenkt, offenbar erwartet sich auch die Jugend etwas von diesem Musical. Vielleicht liest jemand nachher die Griechischen Götter- und Heldensagen nach. Da wäre doch etwas gewonnen.
Renate Wagner