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BADEN / Stadttheater: FUNNY GIRL

Ein etwas mühevolles Unterfangen - der Funken will nicht so recht überspringen

30.01.2023 | Operette/Musical
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Ensembleszene. Alle Fotos: Bühne Baden / Christian Husar

BADEN / Bühne Baden: FUNNY GIRL

29. Jänner 2023 (Premiere war am 28. Jänner)

Von Manfred A. Schmid

In der Geschichte vom hässlichen Entlein, einem unscheinbaren Mädchen, dem es gelingt, sich – allen Unkenrufen zum Trotz – im brutalen amerikanischen Showgeschäft, in der Welt der Schönen und Langbeinigen, erfolgreich durchzusetzen und zum Star zu werden, startete Barbra Streisand 1964 ihre Weltkarriere. Ein paar Jahre später wurde sie für ihre Gestaltung dieser Rolle in der Verfilmung des Musicals als beste Hauptdarstellerin mit einem Oscar ausgezeichnet. Obwohl das Musical drei Jahre lang am Broadway gelaufen war und es auf gut 1.300 Aufführungen gebracht hatte, kam es in weiterer Folge nur zu erstaunlich wenigen Aufführungen weltweit. Am Ort der Uraufführung sollte es sogar 58 Jahre dauern, bis es im vergangenen Herbst endlich wieder herausgekommen ist.

Kritik gab es vor allem am mangelhaften Buch von Isobel Lennart, das die Charaktere der involvierten Personen nicht profiliert genug herausgearbeitet hätte, und an den oft holprigen Liedtexten von Bob Merrill. (Leider ist auch die in Baden verwendete deutsche Fassung von Heidi Zerning – es wird deutsch gesungen – nicht gerade das Gelbe vom Ei.) Auch die Musik von Jule Styne, der mit Gypsy einen Welterfolg landete, ist in Funny Girl nicht so überzeugend ausgefallen. Lieder wie „People“, „Don’t Rain on My Parade“ und „My Man“ sind zwar nicht unbekannt, kommen aber an die Popularität seines erfolgreichsten Songs „Three Coins in the Fountain“ nicht heran. Nur einem Ausnahmekaliber wie Barbra Streisand traute man offenbar zu, diesem Musical trotz seiner Schwächen zu einem durchschlagenden Erfolg zu verhelfen. Solche Kaliber aber hat man nur selten zur Hand. Da kann begreiflicherweise auch Baden bei Wien nicht nur annähernd mithalten.

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Johanna Arrouas (Fanny Brice) und Thomas Weissengruber (Nick Arnstein)

Die deutsche Erstaufführung fand 1972 in Essen statt, mit Marianne Mendt in der Hauptrolle. In Österreich war Funny Girl zuletzt 2016 in Graz zu erleben und wurde nicht gerade gefeiert. An der Bühne Baden legt nun Isabella Gregor eine Inszenierung vor, die den amerikanischen Traum vom Aufstieg der Fanny Brice aus der Bronx zum gefeierten Publikumsliebling in der Zeit der großen Revuen und Burlesque-Shows der legendären „Ziegfeld Follies“ in den 30er und 40er Jahren spielen lässt. Eben dort, wo die Vorlage auch tatsächlich angesiedelt ist, handelt es sich dabei doch um die freie Bearbeitung des Lebens einer Künstlerin aus jener Zeit, die es wirklich gegeben hat. Die Bühne von Alexia Redl, von der auch die übrige Ausstattung stammt, ermöglicht ungemein rasche Wechsel zwischen den Schauplätzen. Ein paar Handgriffe, und das jeweils passende Ambiente ist herbeigezaubert. Wenn es trotzdem zu einigen Längen kommt, dann liegt das an der Vorlage. Hier hätte man ruhig einige Striche ansetzen können.

Fanny ist eine Frau, die felsenfest auf ihr Talent vertraut, an ihre Berufung glaubt, niemals aufgibt und mit Eifer und Fleiß dafür kämpft, ihre Ziele zu erreichen. Künstlerisch gelingt ihr das auch vortrefflich. Als sie sich aber in den charmanten Spieler Nick Arnstein (Thomas Weissengruber) verliebt und ihn heiratet, gerät ihr Privatleben in eine gefährliche Schräglage, weil er es nicht ertragen kann, von ihr gewissermaßen ausgehalten zu werden, und selbst erfolgreich sein will. Als er in kriminelle Geschäfte einsteigt und ins Gefängnis muss, zerbricht ihr privates Glück. Was Fanny bleibt, ist die Kunst und ihr ergebenes Publikum. Die fordernde und alles entscheidende Titelrolle an der Bühne Baden hat Johanna Arrouas übernommen. Die an der Volksoper wirkende Sängerin, die auch als Schauspielerin geschätzt wird, liefert eine Respekt verdienende Leistung ab, mehr aber nicht. Am berührendsten ist Arrouas, wenn sie über diese Schattenseiten in ihrem Leben reflektiert und starke Gefühle, Trauer und Enttäuschung über ihr Scheitern offenbart.

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Shlomit Butbul (Mrs. Brice) und Kerstin Grotrian (Mrs. Strakosh)

Shlomit Butbul als Fannys Mutter Mrs. Brice ist eine pragmatische jüdische Mamme mit Herz, Kerstin Grotrian eine stets neugierige, wissbegierige, sympathische Mrs Strakosh. Als wahrer und treuer Freund erweist sich Jens Janke als Tanzmeister Eddie Ryan, Christoph Wagner-Trenkwitz ist Florenz Ziegfeld jr., der geschickte Chef der erfolgreichen Tanzgruppe. Streng, aber wenn es darauf ankommt, auch verständnisvoll gegenüber seinen Künstlerinnen.  

Sven Niemeyers Choreografie versucht angestrengt die versunkene Welt der Revuen aus der Zwischenkriegszeit auferstehen lassen, was in den großen Showszenen nur mäßig gelingt. Ohne ausladende Treppen ist da wohl nichts zu machen. Etwas behäbig musiziert, mit Anjelko Igrec am Pult,  das Orchester der Bühne Baden. So richtig überspringen will der Funken freilich nicht. Was zum Teil aber auch daran liegen mag, dass in der Vorlage dieser Funken ebenfalls nicht so leicht zu entdecken ist. Da bräuchte es schon einen Star wie Barbra…

 

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