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BADEN/ Stadttheater: FIDELIO

03.11.2018 | Oper

© Christian Husar | Magdalena Renwart, Claudia Goebl, Erik Rousi, Ricardo Frenzel Baudisch
Copyright: Christian Husar

Baden/ Stadttheater: „FIDELIO“  am   2.11.2018

Die erste Neuproduktion der neuen Spielzeit galt einem mutigen Unterfangen, nämlich der hier seit 1922 nicht mehr aufgeführten einzigen Oper Beethovens.

Nun hat die als traditionelles Operettenhaus etablierte Bühne Baden bereits in der Vergangenheit unter den Intendanten Robert Herzl (man denke nur an „Hoffmanns Erzählungen“, „Faust“ oder „Hochzeit des Figaro“) und Sebastian Reinthaller („Zauberflöte“) auch eine gute Visitenkarte für die Oper abgegeben, doch erst der jetzige künstlerische Leiter Michael Lakner hat dies als ständige Repertoireerweiterung auf seine Fahnen geheftet. Im Vorjahr machte er den Beginn mit einer eigenen, romantischen Inszenierung des „Freischütz“, an die leider sein Zweitversuch mit „Fidelio“ in keiner Weise herankommt. Da werden nämlich zu viele Hinweise auf Gräuel der Gegenwart bedient, und wird mit erhobenem Zeigefinger darauf verwiesen, dass sich zu der Gegend von Sevilla Ende des 18. Jhs. bis in unsere Zeit – egal wo – eigentlich nichts geändert hat. Was ein mündiges, des Sehens und Lesens fähiges Publikum selbst ohne Belehrung ohnehin weiß.

Lakner schuf eine eigene Textfassung, die nicht ausufert, jedoch auch nicht sehr gelungen ist. Dass Rocco des „Königs Namenstag“ zitiert, ist sogar inkonsequent. Allerdings ist der Originaltext der Oper von Joseph Sonnleithner und  Friedrich Treitschke ebenfalls kein dichterisches Meisterwerk. Weit irritierender sind der – ach so moderne! – Einsatz von Handys, die Eliminierung der Auftrittsarie des Pizarro (vermutlich weil alle Choristen bereits als Gefangene auf der Bühne sichtbar sind) sowie eine Music box im Büro des „Gefängnisdirektors“ Rocco, zu welcher Marzelline just in ihrer Arie Musical-artige Körperbewegungen aufoktroyiert sind. Den absolute Tiefpunkt bildet jedoch das Finale, in dem zunächst ein Tanzpaar (ein Gefangener und seine Angehörige) am Werk ist, und beim Schlusschor dann das ganze Ballett „Fidelio“ endgültig in ein Musical verwandelt. Dass nach Schluss eine Wiederholung der Chormusik durch das Orchester als Untermalung des Schlussapplauses ertönt, macht das Unheil komplett. Da dürfte dem Regisseur jeglicher gute Geschmack abhanden gekommen sein.

Das einstöckige Bühnenbild von Stefan Brandtmayr ist funktionell und der Zeitverlegung entsprechend. Letzteres betrifft auch die Kostüme von Friederike Friedrich, von denen die für Marzelline und Florestan nicht gerade vorteilhaft wirken. Jene für alle anderen Gefangenen sollen einem heutigen Staatsgefängnis (Guantanamo?) entsprechen, erinnerten aber viele im Publikum wegen ihrer orangenen Farbe an die Wiener Müllabfuhr (MA 48).

Die durchwegs gleiche Besetzung erfuhr in lediglich 2 Aufführungen eine Änderung in 2 Hauptrollen. Diesmal hatte Matjaž Stopinšek von Reinhard Alessandri den Florestan übernommen, dem er mit seinem kräftigen, robusten und höhensicheren Tenor gut gerecht wurde. Trotz einiger weniger leicht angerauter Töne in der Mittellage bot er eine sehr beachtliche Leistung. Sieglinde Feldhofer machte in dieser Vorstellung ihr absolutes Rollendebüt als Marzelline, die sie sowohl als ausdrucksvoll lebendige Figur wie im wunderschönen, volltönenden Gesang ganz erstklassig verkörperte. Gerade an großen Häusern bekommt man ja eine blühend tönende Marzelline nicht regelmäßig vorgesetzt, sondern wird oft mit Soubrettenstimmen abgespeist. Glückliches Graz, wo ja die junge Sopranistin Ensemblemitglied ist, während sich Wien und Umgebung mit gelegentlichen Gastauftritten abzufinden haben.

Magdalena Renwart, eine frühere Stipendiatin des Wagner-Verbandes Wien, war zunächst ebenfalls nur für 2 Abende vorgesehen, infolge des Ausscheidens von Miriam Portmann singt sie nun aber die ganze Serie. Sie tat das mit einer eher metallischen Stimme, ohne persönliche Farben und ohne ein spezifisches Timbre. Natürlich ist es schon viel, wenn eine Leonore alle geforderten Töne sicher abzuliefern vermag, allerdings sollte sie auch berühren.

Eric Rousi klang als Rocco zu hell, Sebastien Soulès vermochte sich als Pizarro nicht zu profilieren, während Ricardo Frenzel Baudisch als Jaquino zu gefallen vermochte. Bleiben noch Thomas Zisterer, der den Don Fernando aus der Proszeniumsloge der Galerie sang, sowie Beppo Binder und Philippe Spiegel mit ihren Gefangenen-Soli zu erwähnen.

Der Chor der Bühne Baden klang im 1. Aufzug mit nur 12 Mann erstaunlich kräftig, was sich im letzten Bild unter Hinzuziehung der Damen-Abteilung steigerte.

Das Orchester der Bühne Baden war der diesmaligen Aufgabe  allerdings nur bedingt gewachsen, denn es klang zu grob und klobig. Das Dirigat von Franz Josef Breznik wirkte zumindest sicher und ließ keine auffälligen Komplikationen erkennen. Dass die 3. Leonoren-Ouvertüre nicht gespielt wurde, empfand ich aber als Glück.

Gerhard Ottinger

 

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