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DER STURM
von William Shakespeare
Gastspiel des Landestheaters Niederösterreich
Bericht über die Aufführung am 27.08.2025
Teile des Ensembles und des Leading Teams, Video: Timo Neubauer
© Dietrich-Schulz
Shakespeare funktioniert auch in einem IT-Setting wunderbar!
Viele Shakespeare-Dramen erzeugen spontan Bilder in unseren Köpfen. Denken wir zum Beispiel an „Romeo und Julia“. Wer hat nicht sofort einen Balkon vor seinem geistigen Auge? Bei Shakespeares spätem Stück DER STURM ist das anders.
Die Handlung ist etwas „verzwickt“:
Der aus Mailand vertriebene Herzog Prosper lebt seit 12 Jahren mit seiner Tochter Miranda auf einer einsamen Insel. Dort hat er sich die wenigen Inselbewohner, die Hexe Sycorax, ihren Sohn Caliban und den Luftgeist Ariel zu Untertanen gemacht. Durch einen von ihm mit Magie herbeigerufenen Sturm erzwingt er die Landung seiner alten Feinde auf seiner Insel. Die Schiffbrüchigen, darunter sein Bruder, der König von Neapel und dessen Sohn Ferdinand, irren auf der Insel herum. Prospero inszeniert ein Spiel aus Rache, Verführung und Vergebung. Miranda und der Königssohn Ferdinand verlieben sich, Prospero vergibt seinen Widersachern und lässt schließlich Sycorax, Caliban und Ariel frei, bevor er mit allen anderen nach Mailand zurückkehrt.
Das Publikum erlebt dank der bildgewaltigen Inszenierung von Anne Mulleners (Bühne Vibeke Andersen) einen fesselnden Theaterabend. Die Regie verwebt Zauber und Realität. Auch die Zuschauer wissen wohl nicht immer, in welcher Ebene sich die Handlung gerade bewegt.
Einige Besucherinnen und Besucher verlassen das Theater frühzeitig, die anderen applaudieren dem Ensemble und dem Leading Team frenetisch nach fast 2-stündigem Spiel (ohne Pause).
Die Ausprägungen von Macht, von guter und schlechter Herrschaft, sind ein Motiv, das sich durch das ganze Stück zieht. Anne Mulleners stellt Fragen, die heute relevanter sind denn je: „Warum maßen wir uns immer wieder an, die Natur und ihre Wesen zu beherrschen?“ „Was passiert, wenn sich die Natur wehrt?“ Diesen Fragen sollte man sich stellen, wenn man den Theatersaal verlässt und in der Realität ankommt.
Die erste Aufführung von „Der Sturm“ ist für den November 1611 bezeugt und die Handlung wirkt auch 2025 heutig. Welches Theatergenie bringt solches zu Wege? Master Shakespeare! Er ist zu Recht der meistgespielte Dramatiker weltweit. Thorben Meißner (Dramaturgie) hat sich in der Werkeinführung redlich bemüht, den Theaterbesucherinnen und Besuchern die Ideen der jungen Regisseurin nahe zu bringen. Neben einer profunden Stückeinführung sollte wohl jede Bühne die Einführung von Übertiteln überlegen. Das Theaterpublikum hat meist einen hohen Altersschnitt und hört daher nicht mehr sehr gut. Bei Shakespeare ist aber jedes Wort des Hörens wert!
Elisabeth Dietrich-Schulz