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BADEN/ Bühne/Sommerarena: DIE BLAUE MAZUR von Franz Lehár. Premiere

02.08.2020 | Operette/Musical


Foto: Christian Husar

Bühne Baden: „DIE BLAUE MAZUR“ – Sommerarena 31.7.2020

Bravo, bravissimo für die kluge Werkwahl – zum 100. Geburtstag dieser Lehár-Operette, die nun erstmals in der künsterlisch so reich bedachten Kurstadt südlich von Wien das Licht der Bühnenwelt erblicken durfte. Aber auch deshalb, weil das Regieteam unter Leitung von Intendant Michael Lakner eine Möglichkeit gefunden hat, es ohne Chor und Ballett aufzuführen, die verwickelte Geschichte aber dennoch mühelos verständlich und äußerst unterhaltsam dargeboten wurde. Das künstlerische Multitalent Lakner, vor seinem Amtantritt in Baden Intendant der Lehár-Festspiele Bad Ischl, brachte ja eine reiche Lehár-Erfahrung mit.

Im 500 Personen fassenden Haus am Rande des Kurparks durften nur 200 Besucher Platz nehmen – immer mit einer leer bleibenden Reihe zwischen den größtenteils besetzten Plätzen im Parterre, im 1. Rang und in den Logen. Unter dem offenen Dach bei angenehmen Abendtemperaturen hatten einen bisher die Sitznachbarn kaum je inkommodiert. Aber im vollen Bewusstsein des neu erlebten Theaterglücks konnte uns der Einlass und Austritt nur durch bestimmte Türen bloß noch erheitern. Dass es weder Pausen noch ein Buffet im Theater gab, verwunderte nicht.

Was macht Operettenaufführungen im Stadttheater Baden seit eh und je so attraktiv? Etwas ganz Altmodisches! Es gibt nämlich Bühnenbilder, die den vom Komponisten gewünschten Schauplatz erkennbar machen, und es gibt Kostüme, die der Epoche entspechen, in denen das Stück angesiedelt ist. Und es gibt Intendanten, Bühnen- und Kostümbildner (Christof Lerchenmüller, Friederike Friedrich), die sich darob nicht schämen. Und das Publikum schon gar nicht.

Und wie macht man eine Story spannend und unterhaltsam, in der im Grunde nicht mehr passiert, als dass ein Paar gleich am Hochzeitstag sich trennt, weil die Frau sich verraten glaubt, und am Ende die jung Vermählten doch wieder – beim Tanzen der „blauen Mazur“ zusammenkommen, die sie schon zuvor zueinander geführt hatte?


Sieglinde Feldhofer. Foto: Christian Husar

Ja, da ist die Personenregie gefragt, die den sowieso sämtlich spielbegabten Darstellern den Weg weist, wie man mit jedem Wort, jedem Ton und jeder Geste einen Menschen darstellt und sie alle zueinander führt oder gegeneinander agieren lässt. Die für Szenenwechsel nötige Zeit, die normalerweise durch das Ballett, eine teilweise Abdeckung der Bühne oder eine Pause ermöglicht werden, wurde durch einen Conférencier, Oliver Baier, der überdies in 4 andere Rollen, incl. Kostümwechsel, schlüpfen musste – jedesmal ein Riesenspaß!
Den hatten sich Franz Lehár und seine Librettisten Leo Stein und Bela Jenbach offensichtlich bereits durch die Wahl sprechender Namen für ihre Bühnenfiguren gemacht: David Graf Szpilmanski heißt der angeblich untreue Bräutigam, Blanka von Lossin die „reine“, „weiße“ Braut. Das adelige „von“ herrscht durchwegs vor. Dabei darf Thomas Zisterer als Clemens Freiherr von Reiger einen einigermaßen normalen Namen tragen, im Gegensatz zum polnisch-jüdischen Szymanski, Baruch / Benjamin von Blumestijn (Ricardo Frenzel Baudisch), Leopold Baron Abwatsch (Thomas Weinhappel), Albin Edler von Unbedarft (Philippe Spiegel), Baron von Goldberger /ein Festgast (Wolfgang Gerold), von Rosenblatt / Ein Festgast (Thomas Essl) und von Lustig /Exzellenz von Vodkarov/ Ein Festgast (der bekannt wandlungsfähige Beppo Binder). Die eifersüchtige Gegenspielerin der Primadonna nennt sich Gretl Aigner, Tänzerin vom Wiener Hofballett, und äußert sich in Gestalt von Martha Hirschmann mit Soubrettenstimme in köstlich ordinärem Wienerisch, während sich sämtliche vornehm dünkenden Herren, wie zu Beginn des 20. Jhs. noch üblich, in pseudo-feinem, nasalem Sprachgebrauch äußern. Wie beim polnischen Graf jüdischer Herkunft sind auch bei den anderen Personen umgangssprachliche jüdische Ausdrücke wie Schmonzes, Mischpoche oder Chuzpah im Gebrauch.

Im „Merker“-Heft vom Mai hat sich der Verfasser des Leitartikels über Lehár, Gottfried Franz Kasparek, bereits ausführlich mit der „Blauen Mazur“ auseinandergesetzt. Ich kann sein Lob der Musik nur voll unterstreichen. Und der Dirigent Franz Josef Breznik sowie das Orchester der Bühne Baden spielten mit riesiger Freude – endlich wieder! Schmissig, gefühlsvoll, sängerfreundlich und bühnengerecht kamen alle Musiknummern herüber. Um die „blaue Mazur“ auch optisch zu kennzeichnen, wechselte das Licht von Tages- und normaler Innenraumbeleuchtung auf nächtliches geheimnisvoll-romantisches Dunkelblau während des markanten Mazurka-Tanzes des wieder zueinander findenden jungen Ehepaares. (Choreographie: Michael Kropf)


Foto: Christian Husar

Wie das Stadttheater es schafft, ohne Weltstimmen auszukommen und dennoch vollgültige Rollenporträts anzubieten, kann nicht oft genug anerkannt werden. Ausnahmen von dieser Regel sind natürlich immer willkommen. An diesem Abend hieß die Ausnahme Sieglinde Feldhofer, die nicht nur eine faszinierende Bühnenpersönlichkeit ist, sondern auch eine kraft- und klangvolle, flexible Sopranstimme besitzt, die längst schon für große Opernrollen reif ist. (In ihrem Stammhaus Graz wird sie demnächst die Verkaufte Braut singen.) Aber wenn man auch so attraktiv aussieht und solch ein komödiantisches Talent mitbringt, bieten sich halt immer wieder tragende Operetten- und Musical-Rollen an. Die Blanka von Lossin ist eine nicht nur blindlings verliebte, sondern gescheite, vermeintlich alles durchschauende, einfallsreiche, entschlusskräftige Frau, die eine ganze Reihe von Männern, zu deren einem sie als ehemaligem Freund ihrer verstorbenen Mutter flüchtet, als sie ihren jungen Ehemann für untreu hält, mit ihrem Charme im Zaume hält. Ihr tenoraler Partner, Clemens Kerschbaumer, ist optisch ebenfalls attraktiv und bringt für Operettenrollen neben der nötigen Höhe auch die nötige kraftvolle Mittellage mit.

Statt weiterer verbaler Details möchte ich ein paar Bilder sprechen lassen und den Besuch der Aufführung allen Freunden guten Musiktheaters dringlich empfehlen!
Weitere Vorstellungen: 1 / 8 / 9 / 16 / 19 / 28.8., 4. / 5.9.

 

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