Baden: OPERNGALA Nr.2 – 5. 7. 2018
Obwohl nach Absage von Daniel Magdal an diesem Abend kein Tenor zur Verfügung stand, sorgten die verbleibenden beiden Solisten und der philharmonische Sologeiger wieder für einen faszinierenden Opernabend. Opernabend, ja wirklich, trotz der konzertanten Darbietung der Arien und Duette.
Anna Ryan. Foto: Herta Haider
Anna Ryan macht aus jeder Solonummer eine Opernrolle, passt ihre Stimme dem jeweiligen Charakter an und ergänzt das Porträt der Figur durch ihre Haltung, den Gesichtsausdruck und passende Bewegungen. „Tu che le vanità conoscesti…“ – hätte man es nicht gewussst, man hätte ihr königliche Haltung und das entsprechende Verantwortungsbewusstsein zugesprochen – eine Frau, die weiß, dass sie Haltung wahren muss, auch wenn ihre Gefühle mit ihr durchgehen wollen. Mit innigem Klang, mit großer Festigkeit, warmer Mittellage und intensiver, packender Höhe, die wie eine Gefühlsflucht in „höhere Regionen“ empfunden werden konnte, sang sie zugleich ein Gebet, eine Idealvision und ließ ganz normale menschliche Empfindungen Klang werden – sie war Königin Elisabeth, die wenig beneidenswerte Ehefrau des mächtigen spanischen Königs Philipp II. und nunmehrige Stiefmutter von Don Carlos, die trotzdem in dieser Arie zeigt, dass sie mit sich selbst zurecht kommt. – Von Spanien nach Sizilien. Genau so glaubte man ihr Mascagnis Santuzza: „Voi lo sapete, Mamma“ mit fabelhaft gesungenen, verzweifelten Gefühlsausbrüchen, als hätte sie immer nur Verismo gesungen. Und alles vokal vollkommen beherrscht. – Dann weiter nach Tirol: zu Catalanis La Wally, die in die Bergeinsamkit flüchtet, „Ebben n’andrò lontano“, weil sie in der dörflichem Enge mit Vaters Heiratsgebot und enttäuschter Liebe zu ihrem Giuseppe Hagenach nicht zurecht kommt – wieder eine starke Frau, die singend zu sich selbst zu finden hofft. Und zuletzt nochmals Verdi, des Trovatore geliebte Leonora, die sich vor Einnahme des Gifts nochmals in heftigste Emotionen steigert, ehe sie sich für den Geliebten opfert. Von der Koloratur bis zum heroischen Auftrumpfen kann Anna Ryan ihrem Sopran alles anvertrauen, was Bühnenwirksameit garantiert und Hörvergnügen bietet. Und hat noch keine dieser Rollen auf der Opernbühne gesungen…
Russi Nikoff war der Bariton dieses Abends. Aus Rossinis „La scala di seta” bereitete er mit der Arie des Germano ein vielgestaltiges Angebot an Gefühlen eines offenbar frustrierten Liebenden. Beginnend mit etwas rauer Stimme, sucht er sich dann aus einem Fläschchen zu trösten und sich steigert zwischen Wut, mit dunklen, heftigen Baritontönen, grimassierend und wankend in halblustige Stimmung, indem er buffonskes Parlieren mit groß aufgedrehter Stimme recht wohlklingend mischt. Eine Komödie für sich, die Lust auf die gesamte Rossini-Buffa macht! Dazu hatte er kräftig mitmischende Partner in den Musikern des Schlossorchesters, die sich zum Teil auch das Lachen nicht verbeißen konnten, bestens koordiniert von Maestro Tiziano Duca (nomen est omen!), der mit der Ouvertüre zu „Il signor Bruschino“ bereits den Abend stilgerecht eingestimmt hatte. – Auch Nikoff wurde jäh ein ganz anderer als empörter, tödlich beleidigter Renato aus dem „Maskenball“. Da besang er nach den ersten, mit voll attackierendem Bariton geäußerten Anklagen in selig-schmerzlichem Gesang die „dolcezze perdute“, ohne jedoch dabei sentimental zu werden. Das gelang ihm auch bei „Di Provenza il mar il suol“ – eine nette Vater Germont-Variante mit vergleichsweise jugendlicher Stimme nach dem zuletzt an der Wiener Staatsoper gehörten (dennoch großartigen) Ex-Tenor. Und im Duett mit Anna Ryan war er ein ihr ebenbürtiger Conte di Luna ja, ein Conte, auch stimmlich.…
Schlussapplaus: Russi Nikoff, Anna Ryan, Erich Binder und Tiziano Duca. Foto: Herta Haider
Nicht zuletzt machte „unser“ philharmonischer Konzertmeister Erich Binder zum x-ten Mal mit der Méditation aus „Thais“ ganz schrecklich neugierig auf die gesamte Massenet-Oper. Dieser edle, schwebende Geigenklang, der nicht von dieser Welt zu sein scheint und es dennoch ist, wurde uns dann noch ein zweites Mal in Beethovens Romanze in F-Dur gegönnt, liebevoll in klassichem Ebenmaß, vom Orchester mitgetragen.
Als quasi Reprise des Vorabends spielte das Schlossorchester noch einmal Mascagnis Zwischenspiel aus „Cavalleria rusticana“.
Kräftige Bravo-Rufe bedankten jede einzelne Musiknummer dieses Abends – zu Recht.
Sieglinde Pfabigan
PS.: Erich Binder dirigiert am 12.7. in Varna/ Bulgarien Wagners „Der fliegende Holländer“