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BADEN BADEN: TRISTAN UND ISOLDE – Gott, welch Dunkel hier…

20.03.2016 | Oper

Baden-Baden: „TRISTAN UND ISOLDE“ 19.03.2016

 

                          Gott, welch Dunkel hier …

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Eva Maria Westbroek, Stuart Skelton. Copyright: Monika Rittershaus/Festspiele

Mit der Eigeninszenierung  „Tristan und Isolde“ (Richard Wagner) beglückte das Festspielhaus zu den „Osterfestspielen 2016“ seine Besucher.  Nach vier Aufführungen an der Oos geht die Produktion auf Weltreise und wird anschließend in New York, Warschau und Peking präsentiert. Ein detaillierter Inszenierungs-Bericht meines Kollegen Alexander Walther erschien bereits im Online-Merker,  somit erübrigen sich dazu weitere Ausführungen.

Unter den bisher 44 Inszenierungen während der hundertfachen Besuche meines Opern-Favoriten „Tristan und Isolde“ befanden sich gewiss einige „schwarze Schafe“, jedoch in der Überzahl wahrhaft grandiose Deutungen.  Die Inkarnationen Leidenschaft, Erotik, Emotion schlechthin  zur dramatischsten Love-Story der Opernliteratur kamen heute zur Premiere  nicht zum Tragen – nein wurden sie regelrecht  verschenkt. Dem inszenierten Missverständnis zu Folge, flatterten meine Gedanken den eingeblendeten Möwenschwärmen gleich, zu Schöpfungen der jüngsten Vergangenheit. Vor meinem geistigen Auge erstanden die genialen tiefenpsychologischen Konstellationen der Produktionen in Nürnberg, Bochum, Dessau etc.

Müder Applaus von je „25 Sekunden“ nach zwei Aufzügen spiegelte die Begeisterung des Publikums wieder. Nie zuvor erlebte ich hier am Hause eine derart vehement lautstarke finale Ablehnung einer Produktion.

Tristan-Stuart Skelton-Kurwenal-Michael Nagy (c) Monika Rittershaus
Stuart Skelton (Tristan), Michael Nagy (Kurwenal). Copyright: Monika Rittershaus

Samtige Klangmagie zauberte Sir Simon Rattle mit den prächtig aufspielenden Berliner Philharmonikern nicht aggressiv, nicht im expressiven Rausch der hochgepeitschten Emotionen, nein eher in meditativer Weichheit. Schier ohne orchestral-psychologischen Tiefgang zelebrierte Sir Simon die Partitur in kammermusikalischer Transparenz. Ohne Zweifel das Berliner Weltklasse-Instrumentarium vermochte hochklassige Untermalungen durch den hochqualifizierten Streicherapparat und die solistisch grandios besetzten Holzbläser, vorbildlich zu gestalten. Ausmusizierte Spannungsbögen des gesamten Klangkörpers blieben zuweilen die große Ausnahme. Richtungsgebende Transtendenzen, die ekstasisch-emotionelle Dichte, die ausgefeilte Dramatik, die überbordende Suggestion kam nicht zutage. Was blieb? Gepflegte Langeweile, selten zuvor vernahm ich die Tristan-Partitur in derart spannungsloser Orchestrierung.

Den Sängern kam die lyrische Begleitung sehr entgegen, obwohl manche bedingt der  breiten Tempi, den ausufernden Generalpausen an ihre vokalen Grenzen stießen. Eva-Maria Westbroek empfahl sich als eindrucksvolle Titelträgerin, ein unangenehm-angestrengter Dauerton begleitete die Sopranistin durch die Ausbrüche des ersten Aufzugs, im zweiten zur Erwartung Tristans, bei O sink hernieder entfaltete sich die Stimme im melodischen Fluss, im leuchtenden Diskant der Aufschwünge, berührte mit ausgeglichen weichem Timbre zur Totenklage  und schenkte dem  Liebestod  ansprechend-nuancierte Valeurs.

Rund, strömend erklang die fundamentale Mittellage der englischen Mezzosopranistin Sarah Connolly zu Brangänes Wachgesang, doch bereitete ihr das Höhenpotenzial der Partie hörbare Mühen.

Der Australier Stuart Skelton gab sein szenisches Tristan-Debüt. Problemlos kam der Tenor mit den breiten orchestralen Tempi zurecht, legte seinen baritonal gefärbten Tristan betont  lyrisch mit stilistischem Feeling an. Frenetisch steigerte sich Skelton in die Fieberträume des (regielichen) Suiziden, überzeugte mit herrlichen Legatobögen,  kultivierten Phrasen, schwächelte zuweilen im Höhenbereich dieser kräftezehrenden Partie und beeindruckte dennoch mit einem differenziert hoffnungsvollen Portrait.

Unbeirrt der abstrusen Szene sang Michael Nagy seinen ersten Kurwenal und avancierte zur absoluten vokalen Glanzleistung des Abends. In vorbildlicher Artikulation, herrlichem Timbre, erblühte sein prächtiger Bariton farbenreich in klarer Linienführung und beglückte das Auditorium mit einem fulminant ausdrucksstarken  Rollendebüt.

Eindringlich sonore Bassqualitäten schenkte Stephen Milling dem unversöhnlichen König Marke, beeindruckte mit klangintensiv geführter Stimme welche allerdings relativ schnell ermüdete.

Wenig tenorale Resonanz war von Roman Sadnik  (Melot) zu vernehmen. Thomas Ebenstein lagen dagegen die Partien Hirt/Seemann besser in der Kehle. Im Kurzauftritt des Steuermann punktete der Bariton Simon Sticker. Die Herren des Philharmonia Chors Wien gaben den Matrosen vokales Profil.

Ovationen klingen anders – wohldosiert, leistungsgerecht verschenkte das Publikum seine Gunst und bestrafte zu Recht das Produktionsteam Mariusz Trelinski (Regie), Boris Kudlicka (Bühne), Marek Adamski (Kostüme).

Gerhard Hoffmann

 

 

 

 

 

 

 

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