Baden-Baden: „RUSSISCHE IMPRESSIONEN“ 26.11.2016
Bereits vor 10 Tagen begeisterte in Mannheim die Russische National Philharmonie das Publikum, nun gastierte das 1990 gegründete als erstes privat finanziertes Symphonie-Orchester das Russische National Orchester im Festspielhaus unter der Stabführung des legendären Guennadi Rozhdestvensky. Als Programmauftakt erklang die „Symphonie Classique“ (Sergej Prokofjew) jener heiteren, graziösen, liebevollen Reihenfolge einer „haydn´schen“ Suite. Schwungvoll in delikatem Musikstil erklang das Allegro, in horrenden Tempi huschte das Molto vivace vorüber.
Sangliche Linien und herrlich ausschwingende Kantilenen wurden im Larghetto indiziert. Als kecke Gegenwartsmusik entpuppte sich schließlich die frivole Gavotte welcher das brillant musizierende Orchester in sensiblem Klanggespür dem trefflichen Witz der Partitur nichts schuldig blieb.
Im Mittelteil des Konzertabends servierte Mikhail Pletnev das seltener gespielte „Klavierkonzert fis-Moll“ von Alexander Skrjabin, aus der ersten Schaffensperiode des Komponisten. Nach knappen motivischen Ansätzen entfaltete der russische Pianist sogleich das Hauptthema welches sich wie improvisierend vorstellt und sich gleichwohl in strengem Kalkül zu ausgewogener Arabeske durchformt. In eleganter Fingerfertigkeit entfachte Pletnev das triebhaft lodernde Feuer in Skrjabins Klavierwerk und formte das Allegro zum nuancierten Farbenspiel.
Rozhdestvensky am Pult des klar präzise aufspielenden Russischen National Orchesters setzte begleitend auf einen sonoren Klangrausch und luxurierende Timbres. Zwei symphronistische Geister fanden sich auf wunderbare Weise, es lässt sich nicht anders beschreiben. Pletnevs Stil welcher aus der Improvisation heraus geboren scheint umweht das Andante in vermittelten Ahnungen und nicht in die Tasten gewuchtet.
Ohne Hektik wie selbstverständlich strömend, alles befindet sich im Fluss, im permanenten Werden vermittelte der überragende Virtuose das Allegro moderato. Gleichsam verdeutlichte in solchen Phrasen spürbar, dass zurückhaltende Intensität eindringlicher zu wirken vermag als knallige Überproportionen.
Herzliche Zustimmung des Publikums, überschäumende Begeisterung klingt anders und wurde entsprechend mit einer „75 Sekunden-Zugabe“ belohnt.
Den Finalpunkt bildete eine der kürzesten Symphonien von Dmitri Schostakowitsch „Die Neunte“ einem Werk volkstümlichen Charakters, sie wird in unseren Breiten weniger gespielt umso interessanter war es dieser halbstündigen Komposition zu begegnen. Zur Siegesfeier des Kriegsendes 1945 schrieb Schostakowitsch die Symphonie in Sonatenform. Hatten sich die Machthaber ein pompöses Werk mit Chor erhofft, erfüllte der Komponist diese Erwartungen nicht und schrieb ein Stück von heiterer Stimmung um die Last der Kriegswirren abzuschütteln. Doch Stalin zeigte wenig Humor, die Bonzen sahen es als Affront, Schostakowitsch mache sich über die sowjetische Sache lustig.
Guennadi Rozhdestvensky sah im Sinne des Komponisten die „Sache“ ebenso mit Humor, wirbelte die Themen der Sätze gehörig durcheinander und ließ das Orchester am musikalischen Spaß teilhaben. Auf besondere Weise kam die Musik zwar intensiv und dennoch köstlich leichtfüßig daher. Die exzellenten Bläser musizierten mit Verve, die Piccolo-Flöte klang spitz-sarkastisch, der Marsch zur Einleitung hatte Kraft und ließ dennoch an Ironie nichts vermissen. Prächtig erklang die Fagott-Kadenz (wohl auch die längste im symphonischen Kosmos) des vierten Satzes sowie die überzeugend hochqualifiziert dargebotene finale Apotheose.
Freundlicher Applaus brandete den russischen Gästen entgegen und wurde wiederum mit einem schwungvollen „Marsch“ quittiert.
Gerhard Hoffmann