Philippe Jaroussky, Ensembles Artaserse. Copyright: Michael Gregonowits
Baden-Baden: „PHILIPPE JAROUSSKY“ – 11.11.2017
Ein Primus inter pares der Sopranisten
Als Counter-Tenor im weitläufigen Sinne darf man Philippe Jaroussky nicht bezeichnen, der Titel Sopranist wäre zutreffender. Die Musiker seines 2002 gegründeten Ensembles Artaserse legten der elitären Stimme harmonische, duftige Konsonanzen von betörender Schönheit zu Füßen und unterstrichen auf wunderbare Weise die Präzision des kostbaren vokalen Organs umso mehr. Mit einer Arien-Kollektion ausschließlich von Georg Friedrich Händel be(ver)zauberte der französische Sänger in fein abgestuften Interpretationen das hingerissene Publikum im Festspielhaus.
In stilsicherer Polychromie demonstrierte Philippe Jaroussky seine beeindruckende vokale Präsenz vom schlichten Knabenton zur erstaunlichen Sopranlage mit dem weichen Samt-Mezzoton. Schon der erste Ton aus seiner Kehle zu Pensa a serbarmi, o cara des „Ezio“ elektrisierte, floss in herrlich üppigen Farben, nahm gefangen durch die entwaffnende Schönheit des Organs. Direkt kompromisslos sehr authentisch präsentierte Jaroussky die Arien Son pur felice – Bel contento des „Flavio“ sowie Son stanco – Deggio morire, o stelle aus „Siroe“. Damit nicht Zwischenspiele und Arien jeweils von Applaus unterbrochen, wählte man vier formierte Komplexe, diese Präsentations-Variante sollte Schule machen, wie wir sie bereits aus Liederabenden kennen.
Ouvertüren, Adagios aus Händel-Werken musizierte das begleitende Ensemble Artaserse feinfühlig, in instrumentaler Präzision unter sensibler Führung des Konzertmeisters Raul Orellana die sachliche Ästhetik, die verschwenderische Fülle dieser barocken Melodien auf wunderbar beglückende Weise offerierend.
Nach der hinreißend interpretierten Arrival oft he Queen of Sheba aus „Solomon“ folgten weitere vokale Preziosen aus Jarousskys Kehle: bruchlos strömte das Timbre, die Koloraturen perlten, die Stimme stellte sich allen interpretatorischen Konfrontationen zur Arie des Tirinto aus „Imeneo“ und ließ in perfekter Technik und farbiger Stimmführung Rezitativ und Arie des „Radamisto“ folgen. Ein Bravosturm ließ die Wände erbeben.
Nach traumhaft intonierten Largo und Larghetto aus der Feder des barocken Meisterkomponisten sang Philippe Jaroussky nach der Pause auf unwiderstehliche Weise das Bekenntnis des mutigen „Giustino“ um im Anschluss farbenreiche, dramatische Töne mit Che piú si tarda omai – stille amare des „Tolomeo“ anzuschlagen.
Im finalen „Block“ dieser ungewöhnlichen Darbietungen glänzte der sympathische Vokalist in lupenreiner Rezitationskunst und unvergleichlicher Perfektion mit der bewegenden Arie Ombra cara des „Radamisto“ und beschloss sein umfangreiches Programm weich strömend und facettenreich mit Guidos Rezitativ und Arie aus „Flavio“.
Die Begeisterung kannte keine Grenzen, das teils jugendliche Publikum sprang von den Sitzen, bereitete den Künstlern Ovationen von Ausmaßen wie man sie nur aus Popkonzerten kennt. Charmant kündigte Jaroussky seine ungewöhnlichen elitär dargebotenen Zugaben an, welche wiederum mit frenetischen Ovationen bedankt wurden.
Gerhard Hoffmann