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Baden-Baden: „W. A. MOZART – REQUIEM“ – 03.11.2019
Im Fokus der herbstlichen Festspiele des Festspielhauses an der Oos stand der Taktstock-„Enfant terrible“ Teodor Currentzis mit seinem Ensemble musicAeterna und absolvierte drei epochale Konzerte zu dessen Abschluss man das „Requiem“ von Wolfgang Amadeus Mozart als Höhepunkt erwählte. Nun darf man sich schon heute auf die nächsten drei Events während der „Pfingst-Festspiele 2020“ freuen.
Ich versuche die Wahrheit zu finden, um sie von der Lüge abzugrenzen sind die Worte des Newcomers, Revolutionärs und Exzentrikers am Dirigentenpult welcher musikalische Entwicklungen stets kompromisslos vorwärts drängte und dabei kein Risiko scheute. Nun hatte ich jüngst des Öfteren das Vergnügen den eigenwilligen Dirigenten dessen Stil mir anfangs leicht befremdlich erschien, jedoch zunehmend faszinierte mich die Art und Weise des musikalischen Reformators, dessen Interpretationen mich immer mehr in ihren Bann zogen wie nun auch heute und ebenso seine CD-Einspielungen der DaPonte-Opern.
Man stutzt, denn Teodor Currentzis musizierte Mozart nicht von seiner „Schokoladen“-Seite, seine Sichtweisen an Rasanz und Tempi verschlagen einem schier den Atem, das klang mehr wie ein Oratorium aber dennoch in spritziger Formation. Champagner wäre noch viel zu harmlos als Metapher bezeichnend für seinen radikal unkonventionellen, leidenschaftlichen Zugang zu Mozart. Currentzis dirigierte diesen Lebensabgesang hochmanieriert, voll Gefühlsüberschwang, mit lustvollen Überraschungen an Phrasierungen, Dynamik und Agogik, jedoch stets glasklar und präzise bis ins kleinste Detail spezifisch ausgeleuchtet. Bedingt durch das extrem geprägte Dirigat verhalf Currentzis dem Werk zu trefflicher innerer Dramatik, betonte die kontroversen Abläufe zwischen Adagio und Presto und rückte die Chorpassagen dezent in die Folie und schenkte so seinem Solisten-Quartett genügend Spielraum zur wunderbaren Entfaltung. Es war eine reine Freude zu erleben in welcher Akkuratesse das fabelhafte Ensemble musicAeterna aufspielte, die Phrasen der genialen Komposition klanglich homogen und kultiviert in kunstvoller motivischer Vernetzung der Instrumentalgruppen transparent und detailliert auffächerte.
Flexibel agierte der musicAeterna byzantina und offerierte den Nuancenreichtum der Chorparts beseelt, höchst motiviert, überzeugend und in wohltuend entschlackter Version. Mit einem Zusatzschmankerl reicherte der egozentrische Dirigent das relativ kurze Requiem an, eröffnete a cappella in völliger Bühnendunkelheit das glorreiche Event mit sakralen byzantinischen Gesängen „Exesysan Me Ta Imatia Mou“ (Konstantinos Pringos) solistisch hervorragend untermalt vom balsamisch flutenden Bariton Adrian Sirbu. Sowie nach dem Lacrimosa des Mittelteils erklang wundervoll „Meta Ton Agion“ (Monarch Gabriel Kontiades).
In elegischer Korporative vereinte sich das Damen-Duo: Sandrine Piau in reinem zum Himmel stürmenden Sopranklang, Paula Murrihy verhalten in weichen hellen Mezzosopran-Couleurs. Strahlend ohne trompetenhafte Töne versah Sebastian Kohlhepp feinsinnig aufblühend und dennoch kernig den Tenorpart, in sonoren Bassnuancen, herrlich volltönend strömte die Stimme von Evgeny Stavinsky und in vollendeter Harmonie ergänzten die Solisten das treffliche Ensemble.
Knapp zwei Minuten andächtige atemlose Stille sodann erhob sich zögernd die immer stärker ausufernde Begeisterung des Publikums.
Gerhard Hoffmann