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BADEN-BADEN: LES CONTES D’HOFFMANN. Konzertant

26.11.2018 | Oper


Marc Minkowski, Olga Petretyatko, Charles Castronovo. Foto: Andrea Kremper

Baden-Baden: „LES CONTES D´HOFFMANN“. Konzertante Aufführung 25.11.2018

Eine musikalische Gourmet-Delikatesse servierte das Festspielhaus seinen Besuchern und man durfte sich die konzertante Aufführung „Les Contes d´Hoffmann“ (Jacques Offenbach) genüsslich auf der Zunge bzw. in den Ohren zergehen lassen. Puristen rümpfen sicher die Nasen, diese surrealistisch-phantastische Oper ohne Szene, schier unmöglich? Oh doch schließlich hatte man heute einen Spezialisten und zwar Marc Minkowski am Pult des Orchestre Les Musiciens du Louvre zur Verfügung und somit stand dieser authentischen Realisierung nichts mehr im Wege. Erlebte ich das Werk während der letzten Jahrzehnte nur als verstümmelte Pasticcios, durfte ich diese Oper nun in seiner fünfaktigen Version erleben und dennoch wurden die Spiegelarie sowie das herrliche Septett Helas, mon coeur s´egare (zu Minkowskis künstlerischer Freiheit) gestrichen. Von Romain Gilbert liebevoll dramaturgisch betreut schienen sich alle Künstler zu darstellerisch-exzellenter Inspiration beflügelt sangen und spielten wundervoll ohne Partitur-Pulte. Opern-Herz was begehrst du mehr – was für eine wunderbare „Inszenierung“!

Marc Minkowski mit seinem 1982 gegründeten Ensemble Les Musiciens du Louvre zu begegnen verspricht immer wieder das ganz Besondere, wie bereits während der letzten Jahre bei Konzerten und Barockopern-Aufführungen.

Der Klangkörper unter der Leitung seines französischen Chefdirigenten sprühte vor Elan, Esprit, gab den herrlichen Melodienbögen traumhafte Transparenz, setzte ebenso während der dramatischen Szenen gehaltvolle Akzente und verhalf der rekonstruierten Partitur zu klarer Charakteristik. Ohne Pseudo-Pathos wurde differenziert musiziert und entfaltete nuanciertes Klangkolorit par Excellence. Die Musik atmete, schwang sich zu ätherischen Klängen auf, so trefflich eingebettet konnten sich die Solisten auf diesem instrumentalen Teppich vorzüglich bewegen.

Den Titelhelden in die Hände bzw. in die Kehle von Charles Castronovo war eine nicht ganz glückliche Wahl. Zur idealen optischen Erscheinung überzeugte der smarte Sänger mit teils lyrischen, kraftvoll-leidenschaftlich, ausdrucksstark eingesetzten tenoralen Mitteln. Wie vielen Kollegen zuvor, fiel auch er den Tücken der Partie zum Opfer, schien unvorbereitet ans Werk zu gehen, ließ kleine Unstimmigkeiten erkennen und klebte förmlich auch während der Actions an den Noten. Intensiv ließ Castronovo satte Couleurs der Mittellage strömen und ließ die oberen Stimmlagen nicht im hellen Tenorglanz eher matt-bronziert erstrahlen.

Olga Peretyatko verkörperte zur charmant-hinreißenden Erscheinung die vier visionären Geliebten des Dichters. Kokett kam Olympia daher, mädchenhafte Züge schenkte die Sopranistin der Antonia, brav und weniger verrucht umgarnte sie als Giulietta den verliebten Schwärmer und divenhafte Attitüde bot sie Stella. Nicht immer gelang es bisher einer Sängerin alle Charaktere stimmlich glaubwürdig zu vereinen und so hatte auch Peretyatko ihre glaubwürdigsten Vokal-Momente bei Antonias Elle a fui, la tourterelle mit cremig fließender Stimme. Die übrigen Partien klangen in meinen Ohren, pardon Madame weniger koloriert, fast einheitlich neutral, die Spitzentöne schmeichelten keineswegs meinen Ohren und im vierten Akt klang ihr Potenzial bereits ermüdet.

Von ganz anderem Kaliber präsentierte sich dagegen Luca Pisaroni und verschenkte exquisite vokale Wonnen. Sein herrlich timbrierter Bassbariton strömte in allen Partien der „Bösewichter“ im Wohlklang dahin, intensivierte sein prächtiges Material passend den jeweiligen Stimmungen an, gleichwohl in dämonisch-dramatischen, wie kultiviert-eleganten Bereichen. Adäquate Interpretationen unterschiedlicher Charaktere derart prägnant und vokal kultiviert umzusetzen, verdient höchsten Respekt.

Vortrefflich ließ die Mezzosopranistin Aude Extrémo ihr tiefes Register sowie die klangvollen Höhenbereiche während der Couplets (La Muse/Nikolausse) guttural leuchten und sicherte sich die Gunst des Publikums. Ebenso schönstimmig absolvierte Aurélia Legay die Stimme der Mutter.

Großartig verkörperten Mathias Vidal (Andrés/Cochenille/Franz/Pitichinaccio), Jean-Vincent Blot (Crespel/Luther), Christophe Mortagne (Spalanzani/Nathanael), Marc Mauillon (Schlehmil/Hermann) ihre Rollen in bester Vokalise.

Noch ein Schmankerl der Extraklasse zum Schluss: rhythmisch, süffisant perlend wie Champagner, transparent auf sehr hohem Niveau sang der Philharmonia Chor Wien seine Parts.

Das Publikum geizte nicht auch zu unpassenden Momenten mit Szenenapplaus und würdigte final mit Begeisterung die Solisten, Chor und Orchester.

 

Gerhard Hoffmann

 

 

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