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BADEN-BADEN: HAKAN HARDENBERGER – BERLINER PHILHARMONIKER – ANDRIS NELSONS

17.04.2022 | Konzert/Liederabende

Baden-Baden: „HAKAN HARDENBERGER-BERLINER  PHILHARMONIKER-ANDRIS NELSONS“
Konzert am Oster-Samstag – 16.04.2022

hakan
Hakan Hardenberger, Andris Nelsons, Berliner Philharmoniker. Foto: Monika Rittershaus

Mit einer Reihe von Opern- und Konzert-Events zeigte sich der Osterhase äußerst spendabel und füllte die Nester im Festspielhaus auf großzügige Weise. Eines der besten Orchester auf unserem Planeten nämlich die Berliner Philharmoniker waren für alle Events engagiert und gestalteten diese in höchst elitär-repräsentativer Formation und schenkten dem Publikum  musikalisch-kulinarische Ostereier der Sonderklasse.

Am Pult der Berliner Philharmoniker waltete heute der Gastdirigent Andris Nelsons und die Gäste hatten ausschließlich Werke von Komponisten des 20. Jahrhunderts im Programm. Als Entree erklang das kurzminütige „Notturno für Orchester“ Maria Anna, wach, im Nebenzimmer von Jüri Reinvere *1971, einem elegischen Musikstück mit Wahlverwandtschaften zu französischen Impressionisten. Anerkennende Zustimmung des Publikums auch für den anwesenden Komponisten.

Sodann durften wir einem hochinteressanten Werk begegnen nämlich dem „Konzert für Trompete und Orchester“ aus der Feder des 1919 in Warschau geborenen Komponisten Mieczyslaw Weinberg. Der Tonsetzer war dereinst ein Schüler und mit Dmitrij Schostakowitsch befreundet welcher Weinberg sehr schätzte, förderte und dessen Konzert als „Symphonie mit einer Trompete“ bezeichnete. Das Werk hat drei Sätze das sich mit seinem gemäßigt progressiven Charakter die kantablen Ausdrucksmöglichkeiten der Trompete erschließt und der Erforschung von Klang und Timbre breiten Raum ließ. Hakan Hardenberger setzte sogleich beim ersten Satz Etüden seine brillanten Nuancierungskünste sehr kultiviert ein, verlieh den schmetternden Melodien geradezu eine rhythmisch wirkungsvolle Note. Nostalgisch, melancholische Einflüsse zu bekannten Momenten früherer Komponisten-Kollegen waren unüberhörbar und der Solist prägte den zweiten Satz Episoden auf vortrefflich geniale Weise mit gedämpftem Instrument und frappierender Atemtechnik.

Zuweilen dezent, teils auftrumpfend begleitete das in unüberbietbarer Akkuratesse musizierenden Berliner Spitzenorchester, Andris Nelsons gestaltete die Passagen mit dem notwendigen Atem. Fanfaren war die Bezeichnung des dritten Satzes von erstaunlich musikalischer Substanz. Melodisch, elegant, subtil und grandios phrasierend widmete sich der vortrefflich aufspielende Solist den enorm technischen Komplikationen auf faszinierende Weise. Das Publikum war begeistert und erhielt dennoch keine Zugabe.

Gleich einem Brillant-Feuerwerk erhob sich das geniale finale Werk: „Le sacre du printemps“ des Enfant terrible der russischen Avantgarde Igor Strawinsky und Andris Nelsons mit den Berliner Philharmonikern versetzten das Publikum in narkotischen Status, brachte die Atmosphäre im Saal regelrecht zum Siedepunkt. Der Komponist untertitelte den Opus mit Bilder aus dem heidnischen Russland und äußerte sich in der Presse darüber wie folgt: …eines Tages sah ich unerwartet vor mir das Bild eines großen heidnischen Sakralkultes, alte Priester sahen im Kreise sitzend, den Todestanz eines jungen Mädchens, das sie dem Gott des Frühlings opferten um ihn gnädig zu stimmen – so war die musikalische Thematik geboren.

Die Melodie der Introduktion entwickelte sich in einer horizontalen Linie, die nur die Masse der Instrumente die intensive Dynamik des Orchesterapparates in sich selbst steigerte bzw. reduzierte. Obwohl vom Erwachen des Frühlings, den geheimnisvollen Mysterien der Natur, den heidnischen Kulten die Rede und musikalisch illustriert, wirkte dennoch nichts blumig angereichert sondern eher derb aufgepolstert. Es ist die reine Lust am Glasklaren, die elementare Kraft dieser Musik entstand durch Strenge und Askese, gerät leicht in Gefahr dem Harten, Unbeugsamen, Kalten zu erliegen. Nichts von all dem erschien mir in der absoluten, unwiderstehlichen Interpretation durch Andris Nelsons und den phänomenalen Berliner Philharmonikern. Die rhythmisch-expressive Schöpfung wurde so intensiv punktuell, mitreißend in individueller Perfektion dargeboten, dass sich eine Erwähnung der einzelnen Orchesterfraktionen schier erübrigt, jedoch insbesondere die elitäre Brillanz der Blechbläser sei dennoch hervorgehoben. Bemerkenswert mit welcher Souveränität. dem Gespür für Effekte und Brillanz Nelsons zu Werke ging und so diese grandiose Komposition in die finale Explosion leitete.

Bravochöre, Beifallsorkane brandeten den Gästen entgegen, die Begeisterung wollte kein Ende nehmen.

Gerhard Hoffmann

 

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