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BADEN-BADEN/ Festspielhaus: UTOPIA ORCHESTRA – TEODOR CURRENTZIS (Bruckner)

27.10.2024 | Konzert/Liederabende

Baden-Baden / Festspielhaus: UTOPIA ORCHESTRA – TEODOR CURRENTZIS“ – 26.10.2024

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Teodor Curentzis. Foto: Stas Levshin

Nach dem grandiosen Vorabend mit Schwartz/Mahler folgte ein weiteres Konzert-Highlight auf dem Fuße, dasselbe Ensemble spielte an gleichem Ort die „Neunte“ und letzte  Symphonie von Anton Bruckner. Unumstritten erlebte der Rezensent eine ganz besondere Wiedergabe eines seiner favorisierten Komponisten. Erneut zog mich Teodor Currentzis mit dem prächtig aufspielenden Utopia Orchestra in eine magische Bannzone,  ich wähnte mich der Welt abhanden gekommen. Das unvollendete, zwischen 1887-1896 komponierte Werk ragt durch seine herbe Kühnheit, des frühexpressionistischen Ausdrucks heraus, zeichnet sich durch einschüchternde Dimensionen ihrer Steigerungen aus und sticht so im symphonischen Schaffen Anton Bruckners hervor.

Currentzis setzte, so erschien es jedenfalls mir, neuartige „gotische“ Klangstrukturen, bizarre, weitgespannte Intervalle der Melodik in ihrer imposanten Konsequenz. Der charismatische Dirigent verband die differenzierte Harmonik, deren polyphone Intensität meist in extreme wiederholte unaufgelöste Disonanzen mündet, in einen himmelstürmenden Klimax. Der Deutung standen Tür und Tor offen, schon allein durch Bruckners Anm. Dem lieben Gott!

Feierlich, misterioso wird die dreigliedrige Einleitung bezeichnet, gleichsam der latenten Folge des gesamten Werkes. Auf den dreimaligen Oktavensturz folgte das rhythmisch scharfe Hauptthema im Unisono des großen Orchesters,  dem gewaltigsten Gebilde der Symphonie.  

Gezupfte Pizzicato eröffneten das Scherzo, vermittelten nach wenigen Takten eine unheimliche Klangsphäre welche in raschen Steigerungswellen die gesamte Fülle von Bruckners Tongemälden offenbarte. Impressionistisch erklang der wunderschön musizierte Dialog der Streicher mit den Holzbläsern im sich aufstürmenden Tutti-Sentiment.

Elegisch, wie von einer anderen Welt eröffneten die Violinen das Adagio im reizvollen Anschwellen der Holz- und Blechbläser. Leisen, zarten Stimmungen setzte Currentzis gewaltige Orchestereruptionen entgegen. Ich gewann den Eindruck das akribisch-präzise aufspielende Instrumentarium schien mit dem Dirigenten in gleicher Einheit zu atmen, in einer resultierenden Phonetik von bezwingender Schönheit, langsam entrückend in endloser Coda verhallend.

Lange, unendliche Stille der Ergriffenheit, sodann entlud sich die lautstarke Begeisterung des Auditoriums in heftiger Dimension, vom Dirigenten allerdings im Abwinken relativ gekürzt.

Auf weitere Gastspiele dürfte man sich freuen.

Gerhard Hoffmann

 

 

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