Baden-Baden: „TRISTAN UND ISOLDE“ II. Akt – 18.01.2020
Im Rahmen eines Konzerts gastierten die traditionsreichen Münchner Philharmoniker unter der Leitung von Valery Gergiev erneut im Festspielhaus. Im Mittelpunkt des Abends stand „Tristan und Isolde“ Richard Wagners größtes (für mich) Gesamtkunstwerk als Fragment mit dem II. Akt. Heilkünste, falsche Tränke, unerfüllte Liebe, Leidenschaft, Tod Assoziationen vereint im wohl gewaltigsten Liebesepos der Musikgeschichte. Wagner verstand es vorzüglich in die Abgründe der Seele vorzudringen, transzendierte Fragen der Metaphysik und konnte auf wunderbare Weise jene ungeheuerlichen Momente in Musik zu fassen, wozu Wort und Tat nicht mehr in der Lage sind.
In lichter Transparenz ließ Valery Gergiev die prächtig disponierten Münchner Philharmoniker aufspielen, die Musik floss betörend dahin, sphärisch säuselte die Quelle, sich allmählich entwickelnd in die suggestiven Details der Orchesterfluten, in die wogenden ausufernden Klangdimensionen der Liebesekstase. Elegisch, fein gesponnen, wunderbar harmonisierend erklangen die lyrischen Momente, nie überproportioniert die sich steigernden Instrumental-Eruptionen. Seinen Vokalsolisten war Gergiev ein vortrefflicher kongenialer Begleiter.
Mit Spannung sah ich dem Tristan von Andreas Schager entgegen und war angenehm überrascht. In ausdruckstarker Fülle ließ der Sänger seinen großartig disponierten Helden-Tenor ausgewogen strömen, setzte prachtvolle Nuancen und Piani in vorzüglicher Phrasierung, geprägt von hoher Musikalität. Gezügelt und dennoch viril krönte Schager seine Interpretation mit strahlkräftigem Höhenglanz. Eine Leistung, die keine Wünsche offen ließ.
Diesen Attributen konnte Martina Serafin bis auf wenige Momente nicht gerecht werden, eilte der Sopranistin bisher nur positives Renommee voraus, hatte die Dame nicht ihren besten Tag oder war sie lediglich mit der Isolde schlechthin überfordert? Angestrengt, unruhig, in zuweilen merkwürdiger Intonation klang ihr kraftvoller Sopran, deren Höhenausbrüche sich öfters in artifiziellem Schrei gipfelten.
Dunkel timbriert, mit herrlich weich fließendem Wachgesang, wunderschönen Mezzosopran-Farben, gekrönt von klangvollen Höhen avancierte Yulia Matochkina (Brangäne) zur kultiviertesten vokalen Bestleistung des Abends.
Mit weichem sensibel geführtem Bass schenkte Mikhail Petrenko dem Marke charaktervolle königliche Würde. Baritonal-markante Töne setzte Miljenko Turk als Melot.
Das Publikum zunächst wenig euphorisch steigerte sich allmählich in Begeisterung.
In intensiven Aquarell-Couleurs, differenzierter Tonalität changierte Gergiev die kurzen sinfonischen Fragmente aus „Le Martyre de Saint Sébastien“ von Claude Debussy mit kräftigen Pinselstrichen zu akustischer Klangentfaltung als „Ouvertüre“ vor der Pause.
Gerhard Hoffmann