Baden-Baden: „SILVESTER-KONZERT“ – 31.12.2019
Una noche espagnola
Mit spanischem Esprit beschloss das Festspielhaus sein erfolgreiches Jahr 2019 sehr temperamentvoll. Entgegen der früheren Ankündigungen mussten die Solistin, Orchester und Dirigent umbesetzt werden. Aus Etat-Gründen der Insel Gran Canaria fiel auch die Tournee des Orquesta Filarmónica dem Rotstift zum Opfer. Der Intendanz des Festspielhauses gelang es dafür das renommierte Wiener KammerOrchester unter der Leitung von Thomas Guggeis zu verpflichten und traf damit eine sehr gute Wahl, sowie die bereits international gefeierte Mezzosopranistin Gaelle Arquez und dem ursprünglich verpflichteten Tenor Joel Prieto.
Mit Szenen aus „Carmen“ (Georges Bizet) fand das zwiespältige Silvester-Konzert seinen Auftakt. Um es jedoch vorweg zu nehmen, nenne ich sogleich den eigentlichen „Star-Gast“ des Abends nämlich das hervorragende Wiener KammerOrchester unter der Leitung des jungen Dirigenten Thomas Guggeis. Sorgte der aufstrebende Pultstar-Nachwuchs bereits 2018 an der Staatsoper Berlin mit einer fulminant geleiteten „Salome“ für Furore. Ich durfte mich selbst vor 2 Wochen von dessen grandioser Leistung überzeugen und war einfach von seinem Salome-Dirigat begeistert! Genuin, ohne Pathos, ohne ausufernde Gestik führte Guggeis das natürlich-wahrhaftig aufspielende Wiener Orchester durch das zündende „Vorspiel“ sowie die herrlich transparent aufgefächerten Zwischenspiele der Akte II – IV. Schlank, wunderbar instrumental, ohne jegliche Effekte führte uns der Dirigent Bizets prächtige Partitur biegsam, unsentimental, in allen Couleurs schillernd, vorzüglich durchleuchtet vor Augen bzw. vor Ohren. Dezent, stets wachen Blicks begleitete der umsichtige Dirigent seine Sanges-Solisten.
Gaelle Arquez hielt allerdings vokal nicht was sie optisch verheißungsvoll versprach: eine schöne schlanke schwarzhaarige Frau in elegant-roter Robe mit laszivem Gang entsprach dem Idealbild der Carmen. Die französische Mezzosopranistin mit bereits internationalem Renommee verfügte zwar über durchaus kräftige leuchtkräftige Obertöne, hingeworfene freche Phrasen, jedoch fehlten ihrer Carmen das sinnliche Timbre, die gutturalen dramatischen Aspekte. Arquez offerierte L´amour et un oiseau rebelle, sodann tenoral assistiert Prés des remparts de Seville unspektakulär, konnte den orchestralen Tempi beim Chanson bohéme nicht mithalten und wirkte selbst beim finalen Duett C´est toi? – C´est moi! wenig überzeugend.
Nach der Pause sang die Dame alle Beiträge vom Blatt, stimmmalerisch erklang eine Rarität, aus Bizets Oden-Symphonie „Vasco da Gama“ der Bolero Ouvre ton coeur gefolgt von Leo Delibes Les filles de Cadiz. Nun Carceleras aus der Feder von Ruperto Chapi kannte ich bisher sinnlicher mit mehr spanischem Esprit, dennoch lockte die Darbietung das Publikum aus seiner Reserve. Zum Duett aus „La Africana“ einer Zarzuela des Spaniers Manuel Fernández Caballero im Dreivierteltakt zum Mitschunkeln verklang das offizielle Finale.
Mit strahlend hellem, leichtgewichtigem, lyrischem Tenor sang Joel Prieto Don Joses Arie La fleur que tu m´avais jetée, brachte bei den Duetten wenig Kolorit ins Spiel und punktete lediglich mit dem publikumswirksamen Beitrag No puede ser von Pablo Sorozabal und schenkte dem mit Africana-Zwiegespräch tenoralen Schmelz.
Bleibt letztlich wiederum das exzellent musizierende WKO mit orchestralen Auszügen des spanischen Meisters Manuel de Falla zu rühmen: glänzend servierte Thomas Guggeis mit dem famos aufspielenden Klangkörper die von rhythmischen Strukturen durchwebten Melodien aus der Suite „El sombrero de tres picos“, sowie Danza del molinero – Farruca, sowie voller Glut sehr temperamentvoll, transparent El circolo mágico aus „El amor brujo“.
Das zunächst recht zurückhaltend reagierende Publikum ließ sich zu mehr Beifallsfreude und Bravos hinreißen, der charmante Conférencier Guggeis servierte zwei instrumentale Dacapo den „Spanischen Marsch“ mit Wiener Flair von Johann Strauß, überschäumend de Fallas Danza ritual de fuego, von Jubel quittiert sangen Arques und Prieto das unverwüstliche Granada (Lara) und entließen das Auditorium knapp sechs Stunden vor dem Jahreswechsel in die kalte Abendluft.
Gerhard Hoffmann