Baden-Baden: „ELINA GARANCA“ – Liederabend – 20.11.2021
Auf den Flügeln des Gesangs …
Malcolm Martineau, Elina Garanca. Copyright: Andrea Andrea Kremper
Oder die hohe Kunst des Gesangs! Gleich wie man es nennen will, Elina Garanca bot Samstag (20.11.) im Festspielhaus eine absolute Sternstunde des Liedgesangs. Als Mittelpunkt ihres ungewöhnlichen Vortrags wählte die großartige Künstlerin Preziosen des Liedgesangs beinhaltend die ganze Palette von Gefühls- und Stimmungsschwankungen einer Frau und eröffnete ihr Recital mit „Frauenliebe und Leben“ von Robert Schumann.
Das Jahr 1840 bezeichnete der Komponist als seine erfolgreichste Schaffensperiode dieses speziellen Genres nachdem er nach langen Querelen mit seinem Lehrer Friedrich Wieck endlich dessen Tochter, die Pianistin Clara Wieck heiraten durfte. In dieser Hochstimmung entstand mehr als die Hälfte seines Liedgutes. Nach Textvorlagen des französischen Lyrikers Adelbert von Camisso der im Jahre 1830 geschriebenen Dichtung „Frauenliebe und Leben“ skizzierte Schumann seinen Zyklus welcher erzählerisch einen Bogen um Freuden und Leiden einer liebenden Frau spannt.
Zarte Töne, mehr dem nachdenklichen Duktus nicht in überstrahlender Euphorie widmete Elina Garanca dem eröffnenden Lied Seit ich ihn gesehen. Weich erklang das herrliche Timbre, widerspiegelte in deklamatorischer Stimmführung und feiner rhythmischer Zeichnung die Gefühle der frisch Verliebten. Freudig erregt, traumverloren, mit Sinn für Nuancen erfüllte Garanca vokal die Texte Er, der Herrlichste von allen – Ich kann´s nicht fassen, nicht glauben. Leidenschaft harmonisch aufregend mit intensiviertem Ausdruck, freudig aufgewühlte Psyche in prächtigen Stimmfärbungen zu offenbaren verstand die wunderbare Erzählerin in Vollendung. Innig, verhalten gleich einem Selbstgespräch erklkang Du Ring an meinem Finger, in lebhaft schwungvollem Impetus folgte Helft mir, ihr Schwestern. Überwältigend vermittelte Elina Garanca die betont intimen Sphären auf musikalischer Ausdrucksebene beim Färben ihres wundervollen Stimmpotenzials und verlieh somit den Strophen Süßer Freund, du blickest mich verwundert an die besondere Atmosphäre. Überströmende Gefühle musikalisch zart-innig voll Liebe umgesetzt erlebte man bei An meinem Herzen, an meiner Brust. Melancholie von schmerzvoller Eindringlichkeit umflorte das Final-Lied Nun hast du mir den ersten Schmerz getan sehr bewegend, voll tiefer Trauer vorgetragen, beschloss den Zyklus. Tief ergriffen war ich des wohlverdienten Beifalls schier nicht mächtig.
Einen besonders stilvollen Begleiter erwählte sich Elina Garanca wie zuvor jede Menge von Interpreten*innen und zwar den vorzüglichen Pianisten Malcolm Martineau. Vom ersten bis letzten Ton versetzte der einfühlsame Tastenkünstler den Hörer in poetische Stimmungen, vertiefte durch sein exemplarisch feinsinniges Spiel nachdrücklich zur Erlebnistiefe des Recitals bei. Unglaublich mit welcher Fülle instrumentaler Farben, sensiblen Ansätzen, inniger Piani der subtile Künstler aufwartete. Voll Wärme, umschmeichelnd-tiefgründiger Bedeutung leitete Martineau solistisch mit dem „Intermezzo E-Dur“ von Johannes Brahms zur weiteren Liedfolge des Komponisten über.
Sechs auserwählte Lieder des genialen Komponisten hatte nun Elina Garanca in ihrem vielseitigen Programm. In höchst differenzierter Gesangskunst formte sie die melodischen Linien von Liebestreu – Geheimnis – O wüsst ich doch den Weg zurück und deutete deren Texturen inhaltlich emphatisch aus. Der ganzen Welt des Empfindens nachzuspüren obliegt der wandlungsfähigen Sängerin insbesondere, musikalische Inhalte kristallisierte sie auf besondere Weise heraus. In stilistischer Einfühlung, gestalterischer Finesse, erstaunlkicher Leichtigkeit entlockte Elina Garanca ihrer kostbaren Stimme zu Alte Liebe – Die Mainacht – Von ewiger Liebe die stets ansprechende Individualität.
Nach der Pause zauberte Elina Garanca delikat-impressionistisches Flair. Es schien als wollte die Mezzosopranistin mit ihrem samtweichen Timbre, prächtig korrespondierend zur Textur der Chansons Au pays oú se fait la guerre – Extase – Phidylé aus der Feder von Henri Duparc Impressionen von Monet/Cezanne musikalisch homogen umzusetzen.
Bevor uns die Künstlerin in spanische Gefilde entführte glänzte Malcolm Martineau erneut solistisch mit dem Prélude „La fille aux cheveux de lin“ von Claude Debussy.
„Siete canciones populares espagnolas“ von Manuel de Falla wählte Elina Garanca als offizielles Recital-Finale und entführte in Texturen voller Esprit, Leidenschaft, Eifersucht also dem gesamten Spektrum der Liebe. Gleich eines kontrolliert brennenden Feuers erhob sich das farbenreiche Mittelregister sowie das attraktive espressivo der tragfähigen schönstimmigen Höhenlage ihrer außergewöhnlichen Vokalise. Seelenvolle, dramatische Akzente setzte Garanca mit Canción – Polo zum Abschluss zur temperamentvoll-rhythmischen Klavier-Begleitung Martineaus.
Das Publikum feierte die beiden bescheidenen Künstler euphorisch und wurde mit drei Zugaben belohnt. Emotional, traumhaft melodisch erklang The Answer sowie in höchst dramatischer Manier Nye poi krasavitsa primnye von Sergej Rachmaninow sowie die unverwüstliche Habanera aus „Carmen“ (Bizet).
Gerhard Hoffmann