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BADEN-BADEN/ Festspielhaus: KONZERT MARIINSKY-ORCHESTER (Gergiev, Kantorow, Westbroek) mit Tschaikowsky und Wagner

08.07.2019 | Konzert/Liederabende


Alexandre Kantorow. Foto: Andrea Kremper

BADEN-BADEN. Festspielhaus – am 6. Juli 2019

Peter I. Tschaikowsky
Klavierkonzert Nr. 2 G-Dur, op. 44

Richard Wagner
Siegfrieds Tod und Trauermarsch
Schlussgesang der Brünnhilde aus Götterdämmerung

***

Peter I. Tschaikowsky
Sinfonie Nr. 6 h-Moll op. 74 „Pathétique“

Alexandre Kantorow, Klavier

Eva-Maria Westbroek, Sopran

Mariinsky Orchester St. Petersburg

Valery Gergiev, Dirigent

Festspielhaus Baden-Baden, 06. Juli 2019

Im Rahmen der Sommerfestspiele im Festpielhaus Baden-Baden gastierte Valery Gergiev mit seinem Mariinsky Orchester St. Petersburg.

In einem umfangreichen Programm mit Werken von Richard Wagner und Peter Tschaikowsky gab es Gelegenheit, das rar anzutreffende 2. Klavierkonzert von Tschaikowsky zu hören, welches 1881 uraufgeführt wurde. Dieses Konzert steht seither im Schatten des 1. Klavierkonzertes und das zu Unrecht. Denn die Eigenarten dieses Konzertes machen es zu einem besonderen Erlebnis. So gibt es im ersten Satz ausladende Kadenzen und viel Raum für pianistische Virtuosität. Im zweiten Satz tritt dann das Klavier ungewöhnlich deutlich in den Hintergrund, um Raum zu geben für die solistischen Beiträge von Violine und Cello. Welch ein Kontrast dann im beschließenden Allegro con fuoco, in welchem Tschaikowsky russische Volksmusiken verarbeitete und dem Solisten reichlich Gelegenheit schuf, am Klavier zu brillieren.

In Baden-Baden stellte sich der frisch gebackene Preisträger des berühmten Tschaikowsky Musikwettbewerbes, der 22jährige Franzose Alexandre Kantorow, vor. Erstmals in der langen Geschichte dieses Wettbewerbes trug ein französischer Pianist den Sieg nach Hause.

Tschaikowsky‘s Klavierkonzert bot Kantorow reichlich Gelegenheit, sein pianistisches Können zu exponieren. Hier agierte ein hoch sensibler Virtuose, der natürlich alle technischen Anforderungen völlig souverän meisterte. Schnelle Läufe, Doppelgriffe, vertrackte Kadenzen, alles wirkte völlig natürlich und von jeglicher Anstrengung befreit. Anrührend war seine ausgeprägte Sensibilität im Vortrag, vor allem im zweiten Satz, der geradezu kammermusikalisch gestaltet geriet. Sehr wach folgte er dem Melodieverlauf und phrasierte die Kantilenen kantabel aus. Im Rondo des dritten Satzes zeigte Kantorow großes spielerisches Feuer und mitreißende Verve. Auch hier war die spielerische Überlegenheit, die Leichtigkeit und Natürlichkeit im Anschlag hinreißend. Das Publikum wurde in stürmische Begeisterung versetzt.

 

Bei Tschaikowsky ist Valery Gergiev mit seinem fabelhaften Mariinsky Orchester ganz zu Hause. Schwelgerische Streicherfarben und berückende Holzbläser ergaben einen mitreißenden Sog. Im zweiten Satz zeigten die Konzertmeisterin und der Solo-Cellist ihre außerordentliche Spielqualität in den ausladenden Solo-Passagen. Gergiev zeigte sich hier als dienender und reaktionsschneller Begleiter. Riesiger Jubel für den jungen Pianisten, der sich mit einer gefühlvollen Zugabe bedankte, der auch Gergiev lauschend auf dem Podium beiwohnte. Noch einmal eine Komposition von Tschaikowsky, seine Meditation No. 5, op. 72.

In Baden-Baden hat Gergiev bereits mehrfach Male Wagners kompletten „Ring des Nibelungen“ mit seinem Opernhaus-Ensemble aus St. Petersburg aufgeführt. So war es spannend, in diesem Konzert zwei Auszüge aus der „Götterdämmerung“ zu hören. Im Trauermarsch überwältigte die schiere Klangpracht seines Orchesters, das mit seinem Dirigent geradezu symbiotisch agierte. Ungeheuer wuchtig ertönten die Orchesterschläge nach dem großen Crescendo in den tiefen Streichern. Und im hellsten Licht erstrahlte dann die Solotrompete mit dem Schwertmotiv, um dann in gewaltigen Schlagzeugausbrüchen dem Trauermarsch alle Größe zu geben.


Eva Maria Westbroek bei Isoldes Schlussgesang. Foto: Andrea Kremper

Danach sang Eva-Maria Westbroek den Schlussgesang der Brünnhilde. Westbroek ist eine wissende und hoch engagiert agierende Sängerin. Die innere Anteilnahme war ihr jederzeit anzumerken. Ihre Stimme erklang raumgreifend und ausgeruht. Es zeigte sich aber auch, dass die Brünnhilde gegenwärtig eine deutliche Grenze für sie darstellt. Alle Töne waren da, wenngleich in den Höhen zuweilen doch hörbar mühsam erreicht. Westbroek war bisher so klug, die Brünnhilden nicht zu singen. Sie sollte dabei bleiben, weil sie doch, wie hier im Schlussgesang, zu oft forcieren musste. Und doch war der schiere Wille, diese wunderbaren zwanzig Minuten der Opernliteratur singen zu wollen, so unwiderstehlich, dass dieser musikalische Grenzgang berührte.

Valery Gergiev und sein famoses Orchester blieben dieser großartigen Musik keine Nuance schuldig!

Nach der Pause stand dann Valery Gergiev ganz im Mittelpunkt. Noch einmal Peter Tschaikowsky, nun seine finale sechste Symphonie, die „Pathétique“. Gergiev ließ diese Symphonie als Lebensmusik erschallen. Alle Farben wurden beispielhaft musikalisch umgesetzt. Vom hellsten Licht hinein in die tiefste Schwärze des Todes. Überlegen und perfekt ausgewogen in der dynamischen Gestaltung entfaltete die Lesart Gergiev einen unwiderstehlichen Sog. Ruppige Akzente in den Streichern, infernalisch intonierende Blechbläser, kantabel tönende Holzbläser und dazu strahlend prasselnde Beckenschläge im berühmten dritten Satz. Danach im vierten Satz ein Dahinscheiden, ein Aushauchen der Seele, mit einem intensiven Schlag auf das Tam-Tam. Ein langer Moment der Stille. Wunderbar. Dann viel Jubel, stehende Ovationen für ein großartiges Konzert!

Dirk Schauss

 

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