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BADEN-BADEN/ Festspielhaus: KONZERT MARIINSKY-ORCHESTER ( Debussy/Prokofjew/ Schostakowitsch) – Gergiev, Hope

08.07.2019 | Konzert/Liederabende

BADEN-BADEN/ Festspielhaus: KONZERT MARIINSKY-ORCHESTER ( Debussy/Prokofjew/ Schostakowitsch) – Gergiev, Hope –  am 7.7.2019

Claude Debussy
Prélude à l’après-midi d’un faune

Sergej Prokofjew
Violinkonzert Nr. 2 g-Moll op. 63

***

Dmitri Schostakowitsch
Sinfonie Nr. 7 C-Dur op. 60 „Leningrader“

Daniel Hope, Violine
Mariinsky Orchester
Valery Gergiev, Dirigent

Festspielhaus Baden-Baden, 07. Juli 2019

1894 erklang von Claude Debussy seine Komposition „Prélude à l‘après-midi d‘un faune“, vielleicht das zentrale Hauptwerk im musikalischen Impressionismus. Die extrem sensitive Klangsprache, hier allein schon durch die wunderbar weich intonierende Soloflöte realisiert, ist von geradezu narkotischer Wirkung. Es ist immer faszinierend, in diese so besondere Klangwelt einzutauchen, die am Ende mit den kleinen Zimbeln, dann noch besondere Farbtupfer ergänzt. Valery Gergiev ist mit der Musik von Claude Debussy hörbar vertraut, ebenso sein großartiges Mariinsky Orchester, das traumwandlerisch sicher diese Komposition vortrug. Gergiev nahm sich viel Zeit, um genau und außerordentlich sensibel in die Musik hineinzuhören. Die hervorragende Solo-Flöte konnte sich auf dieser Basis bestens entfalten, so dass eine besonders klang sinnliche Interpretation zu bestaunen war.

Mit Daniel Hope gab es dann das 1935 entstandene 2. Violinkonzert von Sergej Prokofiev zu erleben. Erstmals musizierte der vielfach ausgezeichnete englische Geiger mit Valery Gergiev. Und das Zusammenspiel geriet ausgezeichnet. Sogleich in der solistischen Einleitung war Hope hörbar in seinem Element. Er suchte erkennbar die Kantabilität in diesem Werk und fesselte mit üppigem Ton auf seiner Geige. Gleichzeitig zeigte er sich meisterhaft sicher im Umgang mit allen spielerischen Schwierigkeiten. Vor allem im zweiten Satz war eine besondere Einheit zwischen Solisten und Orchester/Dirigent zu bestaunen. Im turbulenten dritten Satz begeisterte Hope mit mitreißender Bravour und Virtuosität. Valery Gergiev war hier mitgehender Partner auf Augenhöhe, sorgte für gestalterische Freiräume oder ließ auch, wenn notwendig, profund, erdig ausmusizieren. Daniel Hope bedankte sich für den begeisternden Applaus mit einem langsamen Satz aus der Violin-Sonate von Erwin Schulhoff aus dem Jahr 1928. In einer kurzen persönlichen Ansprache warb er dabei für das Interesse für den in Vergessenheit geratenen Komponisten. Auch, wie bereits am Vorabend, blieb Gergiev mit auf dem Podium, um der Zugabe beizuwohnen.

Nach der Pause dann zeigte Valery Gergiev seine interpretatorische Meisterschaft in der Gestaltung russischer Musik. Einmal mehr zeigte er seine große Kompetenz in der Interpretation der Werke von Dmitri Schostakowitsch. Um es vorwegzunehmen: Gergiev und sein herausragendes Orchester boten eine Sternstunde der symphonischen Interpretation! Unzählbar waren die vielen überwältigenden Momente in diesen 70 fordernden Minuten.

Seine monumentale siebte Symphonie beschreibt niederschmetternd den Einmarsch und die Belagerung von Leningrad durch die deutschen Kriegstruppen.

Der erste Satz beginnt mit einer Idylle. Alles dies ändert sich mit der Einführung des zentralen Themas, das den Einmarsch der deutschen Feindestruppen charakterisiert. Im Bolero-Rhythmus der kleinen Trommel wird das bekanntes Maxim-Motiv der Léhar Operette „Die lustige Witwe“ (Da geh ich zu Maxim…) zitiert. In gewaltigen Fortissimo-Klängen steigert sich dieses Thema, bis die musikalische Hölle sich über dem Zuhörer öffnet. Am Ende tönen ermattet Solo-Fagott und Trompete, bis dann in der Coda der Trommel Rhythmus des Invasions-Themas nochmals anklingt.

Der zweite Satz Moderato vermischt Idyllisches und Bedrohliches. Immer wieder brechen schrille Walzertakte die Stimmung auf. Vor allem die grotesken Holzbläser durchschneiden häufig die Melodielinien.

Tief unter die Haut geht dann das ausgedehnte Adagio mit seinen choralartigen Beginn in den Bläsern. Lange Unisono-Kantilenen in den Streichern, bis auch hier wieder musikalische Brüche realisiert werden, z.B. durch einen grotesk anmutenden Marsch.

Im beschließenden letzten Satz verarbeitet Schostakowitsch Motive der Trauer, die am Ende in einen erstarkenden, gewaltigen Triumph-Gesang des gesamten Orchesters führen. Eine Apotheose der Willenskraft in lautesten Ausbrüchen, die doch dann alles in ein helles strahlendes Licht führt.

Valery Gergiev sorgte für eine Ausnahme Interpretation mit seinen perfekten Musikern. Es stimmte einfach alles. Überzeugende Tempi, überwältigende Ausbrüche, tiefe kontemplative Elemente der Einkehr, schrille, spottende Farben und eine erhabene Feierlichkeit. Die Schrecklichkeiten ertönten mit unerbittlicher Drastik und Härte. Die Musiker spielten mit höchstem Engagement und größter technischer Kompetenz. Außergewöhnlich, wie genau, wie klar Gergiev jederzeit die dynamische Balance wahrte. Über die einzelnen Gruppen des Orchesters ließen sich viele Zeilen der Begeisterung schreiben. Die solistische Qualität, ob in der Violine oder in den Holzbläser ist ungemein hoch. Selten dürften Streicher in einem Orchester derart wuchtig, gewichtig klingen. Oder die virtuosen, sauber intonierenden Blechbläser, die mit gewaltigen Reserven größte Steigerungen realisieren konnten. Ein besonderes Lob für den absolut präzisen Schlagzeuger an der kleinen Trommel, der vom ersten Einsatz an, mit größter Exaktheit seinen Bolero-Rhythmus anstimmte und dabei immer wieder durch besondere Akzentuierungen verblüffte.

Eine überwältigende Hörerfahrung, die keiner der jubelnden Zuhörer vergessen dürfte. Stehende Ovationen für Gergiev und sein hinreißendes Orchester. Und dann gab es nach diesem schweren Werk sogar noch mit dem Finale aus Strawinsky‘s „Feuervogel“ eine Zugabe. Unglaublich auch hier die dargebotene Perfektion, so z.B. in dem makellos intoniertem Hornsolo.

Stehende Ovationen und große Euphorie im Publikum.

Was für ein besonderer Abend im Festspielhaus Baden-Baden!

 

Dirk Schauß

 

 

 

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