Joseph Haydns „Die sieben letzten Worte des Erlösers am Kreuze“ im Festspielhaus Baden-Baden
Paradiesverheissung und Spiritualität
„Hausfestspiel“ mit dem Marzona-Quartett mit Haydns „Die sieben letzten Worte des Erlösers am Kreuze“ am 2.4.2021 im Festspielhaus/BADEN-BADEN
Joseph Haydns Komposition für Streichquartett „Die sieben letzten Worte des Erlösers am Kreuze“ entstand im Auftrag des Klerus von Cadiz. Sie wurde 1785 oder 1786 als Meditationsmusik innerhalb der Karfreitagsliturgie komponiert. Jedes der sieben Worte wurde vom Bischof von der Kanzel verlesen, dann kniete er im stillen Gebet vor dem Altar. Die sieben langsamen, traurig-feierlichen Sätze werden hier von der Philharmonischen Camerata (Marzona-Quartett) ausgesprochen einfühlsam und bewegend musiziert. Vor allem die Abstufung der Sätze hinsichtlich Tonart, Tempo, Form und Thematik kommt so sehr subtil zum Vorschein. Dies gilt nicht nur für das Maestoso-Pathos der Introduktion, sondern auch für die Seufzersprache in B-Dur des ersten Wortes und das feierliche c-Moll der Paradiesverheißung des zweiten Wortes. Ein sanfter und fast idyllischer Dialog in E-Dur erfolgt mit der Mutter – und auch die schmerzhaften Fragen des vierten Wortes in f-Moll zeigen dabei viele Klangfarben. Es erfolgt eine gewaltige Steigerung von verhaltenem Ausdruck zu hohem Pathos in A-Dur. Jesus verdurstet gleichsam in dieser Tonart. Die Passage „Es ist vollbracht“ schwankt hier geheimnisvoll zwischen g-Moll und G-Dur. Es ist ein sphärenhafter harmonischer Schleier, der sich hier immer wieder hebt. Ein liedhafter Gebetston in Es-Dur beweist dem Hörer den Eintritt in eine sphärenhafte Aura. Und die Martellato-Attacken des Erdbebens in c-Moll im rasanten Presto-Rhythmus gewinnen bei dieser Interpretation eine drastische tonmalerische Bedeutung.
Besonders interessant ist bei dieser Wiedergabe der vergeistigte Aspekt. Thomas Timm (Violine), Romano Tommasini (Violine), Wolfgang Talirz (Viola) und David Riniker (Violoncello) versenken sich nicht nur in die spirituellen Momente dieser Komposition, sondern machen auch die thematischen und harmonischen Zusammenhänge deutlich. Wichtig ist vor allem, dass sie dieses wichtige Werk nicht wie eine Serenade spielen, sondern eindeutig in die Tiefe gehen und den metaphysischen Charakter betonen. Neben den Unisono-Effekten stechen vor allem die Pizzicato-Passagen bei der Stelle „Mich dürstet“ hervor. Starke Tremolo-Effekte beherrschen dann das gewaltige, aufwühlende Erdbeben, wo die Musiker wirklich ganz aus sich herausgehen. Sie nehmen sich aber immer wieder auch stark zurück. So gewinnen heftige dynamische Gegensätze in eindrucksvoller Weise Kontur. Text-Sinn und Text-Affekt zeigen starkes Profil. Und der Hörer wird in den musikalischen Prozess eingebunden. Man kann die einzelnen Stationen wie einen seelischen Prozess wahrnehmen, vor allem den intensiven Dialog von Jesus Christus mit Gott. „Ich möchte etwas schreiben, das meinem Namen in der Welt dauernde Geltung verschafft“, sagte Haydn angeblich als 60jähriger. Mit diesem Meisterwerk ist ihm dies gelungen. Jasmin Bachmann führte mit Intendant Benedikt Stampa wie immer kenntnisreich durchs Programm.
Alexander Walther