Sopranistin Olga Peretyatko und Matthias Samuil (Klavier) am 20. 2. 2021 im Festspielhaus/BADEN-BADEN
Mit leidenschaftlichem Ausdruck
Drei Wochen nach der Geburt ihrer Tochter steht die Sopranistin Olga Peretyatko schon wieder auf der Bühne. Zusammen mit dem einfühlsamen Pianisten Matthias Samuil imponierte ihre ausgefeilte Interpretation der Tschaikowsky-Romanzen „Im wogenden Tanze“ op. 38/3, „Der Kuckuck“ op. 54/8, „War ich nicht ein Halm auf frischem Wiesengrund“ op. 47/7 und „Ob heller Tag“ op. 47/6 aufgrund weich timbrierter Kantilenen und einer hervorragenden Atemtechnik. Witz und Melancholie dieser feingliedrigen Miniaturen kamen so in ausgezeichneter Weise zum Vorschein. Der bewundernswerte Reichtum an melodischen, pathetischen und dramatischen Eingebungen mit seinen zahlreichen Raffinessen erreichte hier eine erstaunliche Intensität. Die glitzernden Visionen dieser Klangfantasien betörten den Zuhörer in unnachahmlicher Weise. Dies galt vor allem für das dritte Stück, wo eine junge Frau über ihre Heirat mit einem älteren Mann trauert.
Von Peter Tschaikowsky interpretierte Olga Peretyatko zusammen mit Matthias Samuil anschließend noch „Marias Wiegenlied“ aus der Oper „Mazeppa“, wo es um Verrat, Krieg und große Politik geht. Der Heerführer Mazeppa hat hier die schöne Maria geraubt – und angesichts der Hinrichtung ihres Vaters verliert diese den Verstand. Mit enormem Klangfarbenreichtum und starker gesanglicher Energie ließ Olga Peretyatko den thematischen Reichtum dieser Komposition leuchtkräftig zum Vorschein kommen. Auch das aufrührerisch-wilde Melos dieser Verzweiflungsarie blitzte hervor. Elegante Formulierungen besaß die subtile Wiedergabe des „Wiegenliedes“ op. 16/1 von Peter Tschaikowsky aus den „6 Romanzen“. Beide Künstler betonten hier die wunderbare klangliche Balance dieser Komposition. Das berühmte Wiegenlied „Schlafe, mein Prinzchen, schlaf ein“ wird eigentlich Wolfgang Amadeus Mozart zugeschrieben, stammt jedoch von Johann Friedrich Anton Fleischmann. Die Schlichtheit der Melodik erreichte bei der suggestiven Wiedergabe von Olga Peretyatko und Matthias Samuil eine ergreifende Klarheit. Zuletzt folgte in der Bearbeitung von Matthias Samuil noch „Estrela“ („Der Stern“) des brasilianischen Komponisten Altino Pimenta. Chromatische Spitzfindigkeiten verblüfften hier aufgrund des bewegenden, aber auch höchst virtuosen Gesangsstils. Als Zugabe interpretierten beide Musiker noch „Summertime“ von George Gershwin – ebenfalls dunkel getönt, aber auch mit Verismo und dramatischem Espressivo.
Alexander Walther