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BADEN-BADEN Festspielhaus: GUSTAV MAHLER: AUFERSTEHUNGS-SYMPHONIE“ – 29.11., FRANZ SCHUBERT: SCHWANENGESANG – 30.11.)

01.12.2025 | Konzert/Liederabende

Baden-Baden / Festspielhaus: GUSTAV MAHLER: AUFERSTEHUNGS-SYMPHONIE“ – 29.11.2025

 Aus der Tiefe zu den Sternen…

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Foto: Michael Gregonowits

 So könnte man die heutige Interpretation bezeichnen, denn mehr geht nicht!? Die ersten beiden Symphonien von Gustav Mahler präsentierte das Festspielhaus seinen Musikfreunden, leider war ich gestern zum „Titan“ verhindert und besuchte erst die großartige „Zweite – Auferstehungs-Symphonie“. Ungemein konträr nahm sich Paavo Järvi mit dem prächtig musizierenden Tonhalle Orchester Zürich dieses gewaltigen Werkes in Akkuratesse an. Mahler als Komponist menschheitsrelevanter Weltanschauungen bekannt verlor sich in dieser zweiten Symphonie vollends und feiert mit erhabenen erschöpfenden Klängen nichts Geringeres als die Auferstehung des Menschen welcher in der Atmosphäre die Luft einer anderen Welt (?) atmet. Aus der Tiefe rufe ich zu dir – der Psalm 130 zog eine lange eindrucksvolle Spur durch die Musikgeschichte bei J. S. Bach, Mendelssohn etc. bis hin zur Moderne und bildete sogleich die Wurzel und den Samen zu Mahlers Werk.

Nun wurde mir in den letzten Jahrzehnten mehrfach die Ehre zuteil diese meinerseits favorisierte Symphonie mit nahezu allen Weltelite-Orchestern und namhaften Dirigenten zu erleben, jedoch heute nach dieser Interpretation wähnte ich, alles vorher Erlebte schien zu verblassen. Ein Phänomen der Altersreife? Oder dadurch bedingt einer völlig intensiveren Wahrnehmung des Erlebten? In zupackender Dramatik eröffnete Paavo Järvi mit dem präzise aufspielenden Tonhalle Orchester das Allegro moderato gleich einer Wohlklang-Orgie, dass einem schier der Atem stockte, der Klangsprache sowie technischen Perfektion des hervorragenden Schweizer Instrumentariums staunend gegenüber stand, pardon mehr oder weniger saß. Es offenbarte sich eine Klangmalerei zelebriert in zarten Pinselstrichen der Violinen und Celli, vereint mit dunklen Holzbläsern und dominanten Blechelementen zu berauschendem  wohlklingendem Gesamtbild. Schwerlich konnte man vor Ergriffenheit die Tränen des Glücks zurückhalten. Mahlers unerschöpflichem melodischem Einfallsreichtum welchen er von Klopstock adaptierte: Mit Flügeln, die mir errungen in heißem Liebesstreben, werd ich entstreben zum Licht, zu dem kein Aug´ gedrungen.

 Wohldosiert formierten sich Holz- und Blechbläser zu berückendem Musizieren, fein filigran sangen die Streicher im herrlichen Fluss der stets präsenten reinen durchhörbaren Klang-Perspektiven. Selbst wild ausufernde Frequenzen der Instrumentalsektionen wirkten bestens geordnet, keineswegs chaotisch oder disharmonisch. Sphärenklängen gleich, berückend, schwebend über dem Orchester erhob sich das wunderschöne Timbre von Anna Lucia Richter zum traumhaften O Röschen rot des Urlicht. Wie ein Lichtstrahl der Verheißung erklangen Aufersteh´n, ja aufersteh´n wirst du kündete das silbernglänzende Soprantimbre von Mari Eriksmoen. Zu den herrlichen Duetten vereinten sich die beiden Stimmen in strahlend-klarer, feingliedrig phrasierter Miniatur-„Mahlerei“. In emotionaler Intensität, dimensionaler Entfaltung des sonoren Klangs erhob sich die Züricher Sing-Akademie in famoser Tiefenschärfe. In Emphase, überwältigender Einheit fanden sich alle Mitwirkenden zum finalen Klangrausch der zum Himmel strebte.

Ohne sekundäres Innehalten riss die Begeisterung das tobende Publikum spontan von den Sitzen zu langen Ovationen hin.

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                                                                                „FRANZ SCHUBERT: SCHWANENGESANG“  – 30.11.

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Foto: Michael Gregonowits

 Zwei international renommierte Solisten ihres Fachs gestalteten einen teils berauschenden Lieder-und Sonaten-Abend. Ursprünglich als Matinee vorgesehen fand nun dieses ungewöhnliche Event am späten Nachmittag statt und zwar spielte zunächst als Entree Daniil Trifonov die „Klaviersonate G-Dur“ von Franz Schubert. Als ruhe er sich beim Aushorchen von Klängen aus, als schlage er einfach immer ein paar Akkorde an, wachträumend so hält Schubert anno 1826 inne, bevor er dann in den letzten drei Sonaten noch einmal die Auseinandersetzung mit Beethovens Sonatenform sucht. Hier weicht er ihr aus. Auch wenn es der Verleger war, welcher dueser G-Dur-Sonate den Beinamen „Fantasie“ gab, wird es Schubert ganz recht gewesen sein.

Wie Säulen standen die langanhaltenden Akkorde in G-Dur, der Komponist bewegte sich nicht weg aus dieser G-Landschaft und Trifonov der inzwischen gereifte Meisterpianist, ich kannte ihn bereits als schlaksigen Jüngling seit seiner Eleven-Jahre, kostete diese magischen Momente in prächtigen Anschlägen regelrecht fantastisch aus, schien bereits bei den ersten Takten des Kofsatzes zum Molto moderato regelrecht die Uhren anzuhalten. Die Akkorde dieser absolut schwierigen Sonate perlten, glitzerten in atemberaubender Tonfolge als wäre es ein Kinderspiel. Ohne sich in den Schönheiten der Klang-Analyse bezauberte Trifonov mit farblich prächtig nuancierten Varianten, wie sinnierend schien er die Triolen, die Piani auszuhorchen, man glaubte der Geburtsstunde dieser pianistischen Präziose beizuwohnen. Traumhaft zog das Andante in schier verklärtem Spiel vorüber. Anmutige Leichtigkeit, rhythmische Präzision schenkte der ernst wirkende Pianist dem herrlichen Menuetto. Schier unhörbare Pianissimo, ein Brillantfeuerwerk klaviertechnischer Kaskaden zündete der Magier der Anschlagskünste beim finalen  Allegretto. Ein Kunstgenuss ohnegleichen wärmte die Seele! Beschwingt, beglückt ging man in die Pause.

Ein Aufschrei aus hunderten von Kehlen, Bravostürme und tosender Applaus belohnten den bescheidenen Künstler.

Hans Sachs hätte es  so gesagt: Das nenn´ ich einen Abgesang! Während meiner bisher hundertfach  besuchten Liederabenden erlebte ich jedoch kein so trauriges Desaster. Ich mochte dereinst das weiche strömende Timbre von Matthias Goerne, doch davon war  nichts mehr zu vernehmen und erlebte einen Sänger jenseits des vokalen Zenits welcher dem Publikum die  Liedfolge „Schwanengesang“ von Franz Schubert offerierte. Man schob zwischen den Nummern 5 + 6 Herbstlied ein und verzichtete auf den letzten Song Die Taubenpost. Schwer atmend, ohne Emotionen, die Höhen ausufernd trompetend, fernab jeglicher Gesangskultur absolvierte Goerne zum Erbarmen seine vokale Katastrophe. Man möge mir verzeihen, dass ich nicht weiter darüber berichte. Die Marschallin im „Rosenkavalier“ hätte ihm garantiert geraten: Weiß er denn nicht, wann eine Sach´ ein End´ hat?

Überrascht hatte mich Daniil Trifonov als sensibler, einfach großartiger Sängerbegleiter, einem feinfühligen Pianisten der absoluten Sonderklasse und entsprechend begeistert gefeiert. Kurze peinliche Höflichkeits-Bekundung für den Sänger.

 

Gerhard Hoffmann

 

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