Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BADEN-BADEN/ Festspielhaus: DER FLIEGENDE HOLLÄNDER – konzertant

Der Holländer als Retter in höchster Not

19.05.2018 | Oper


Schlussapplaus. Copyright: Andrea Kremper/Festspiele

Richard Wagners „Fliegender Holländer“ konzertant am 18. Mai bei den Pfingstfestspielen im Festspielhaus/BADEN-BADEN

HOLLÄNDER ALS RETTER IN HÖCHSTER NOT

In buchstäblich letzter Minute rettete der von den Bayreuther Festspielen bekannte Bariton Albert Dohmen diese konzertante Vorstellung von Richard Wagners romantischer Oper „Der fliegende Holländer“ mit den Münchner Philharmonikern und dem prachtvollen Philharmonischen Chor München unter der akribischen Leitung von Valery Gergiev. Schon bei der Ouvertüre brachte Gergiev mit dem fieberhaft musizierenden Orchester dieses Erlösungsdrama in ergreifender Weise zum Klingen. Vor allem die präzise Klarheit im Aufbau der Gedanken gelang so vortrefflich. Das gleiche galt für die imposante Geschlossenheit der Durchführung. Fluchbeladen musste der Holländer sein Leben auf dem Meer verbringen – und nur die Hoffnung auf die Treue einer Frau hielt ihn aufrecht. Fluch und Erlösung als Hauptmotiv gewann unter Valery Gergiev immer größere Dynamik und klangliche Schärfe. Die d-Moll-Schilderung des Meers mit schrillen Holzbläsern und zitterndem Streicher-Tremolo ging bei dieser konzentrierten Wiedergabe wahrlich unter die Haut. Der Holländer-Ruf der leeren Quinte in Hörnern und Fagotten wirkte fahl und gespenstisch zugleich: Ein betörendes Fest der Klangfarben. Vor allem die wilde Chromatik feierte dann später bei den Chor-Szenen wahre Triumphe. Da flossen Singstimmen und Orchester ganz zusammen, gingen im ungeheuren Brausen des Meeres unter und tauchten dann plötzlich wieder mit ungebändigter Strahlkraft auf. Im Englischhorn meldete sich zart die sphärenhafte Verheißung der Erlösungsmelodie. In wilder Leidenschaft tobte bei dieser gelungenen Aufführung immer wieder der ohrenbetäubende Sturm los, riss die fulminante Sängermannschaft gleichsam mit, ließ den Solisten kaum eine Atempause. Das war ein begeisterndes rhythmisches Pulsieren, das die Vision des gespenstisch vorbeigleitenden Schiffes in sich aufnahm und verinnerlichte.

Der rasante Aufschwung der Streicher brachte dann zuletzt den endgültigen Sieg über die Elemente. Senta opferte sich für den Holländer in einem geradezu orgiastischen Taumel, den die hervorragende Sopranistin Elena Stikhina mit wandlungsfähigem Timbre und visionärer Strahlkraft beschwor. Das farbenreiche Seestück mit dem norwegischen Seefahrer Daland (der durch den Sturm nahe seiner Heimat einlaufen muss) und dem wachhabenden Steuermann wirkte wie ein wildes romantisches Gemälde, dessen Konturen immer klarer hervortraten. Günter Groissböck (Bass) als „Luxus-Daland“ und Benjamin Bruns (Tenor) als Steuermann ergänzten sich in klangfarblich reicher Weise. Das ferne Donnerrollen eines neuen Kampfes der Elemente betonte Gergiev hier ausgezeichnet.

So wuchs die dramatische Spannungskraft bei dieser Aufführung unaufhörlich weiter. Der Sekundenschritt erstarrte gleichsam zu endloser Trostlosigkeit. Albert Dohmen gestaltete  „Die Frist ist um“ mit sonoren Kantilenen und einer berührenden gesanglichen Intensität, deren Volumen die Zuhörer beeindruckte. Vor allem die Anrufung an den Engel gelang Dohmen ergreifend. Der unheimliche Klang der leeren Quinten des Holländermotivs und das von g-Moll nach B-Dur wandernde Erlösungsmotiv zeigten dabei enorme Klanggewalt. Die Ehewerbung des Holländers bei dem zaudernden Daland gewann bemerkenswerte darstellerische Deutlichkeit, die sich auch im Duett-Ensemble zeigte. Und die Oboe berschrieb Sentas Vorzüge bis zum „Mitleids-Motiv“ mit bewegender Emphase. Hier leitete auch die Musik des Matrosenchors zum anmutigen Lied der Spinnerinnen über, wobei sich der Philharmonische Chor München unter der subtilen Einstudierung von Andreas Herrmann weiter profilieren konnte. Okka von der Damerau gestaltete Sentas Amme Mary mit ausdrucksstarkem und tragfähigem Mezzosopran, der gut zur Stimmungstiefe und den melodischen Reizen des Gesangs von Elena Stikhina bei Sentas Ballade passte. Die Erlösungs-Motive gewannen ergreifende Dominanz. Eric Cutler als eifersüchtiger Jäger Erik gab mit sanftmelodischem Gesang seinem Zweifel an Sentas Liebe Raum. Der Ausdruck freudiger Erregung zwischen Tremolo und Ostinato erreichte beim Duett des Holländers mit Senta immer größere Weite. Weiche und pulsierende Töne der Hörner begleiteten den Holländer, während die Oboe Sentas Gesang wie im überirdischen Zwiegespräch ergänzte. Das Ineinanderüberfließen der einzelnen Instrumente mit den Gesangsstimmen glückte Valery Gergiev mit den Münchner Philharmonikern ausgezeichnet.

Exzellent gelang Gergiev mit dem Ensemble auch der dritte Aufzug mit der Bewährungsprobe von Sentas Treue. Die naturwüchsige Schilderung seemännischen Lebens trat dabei immer deutlicher hervor, Flammen waren an den Masten zu spüren – und ein kräftiger Rhythmus brauste durch die Segel. Und der Geisterchor wirkte daraufhin umso unheimlicher. Man begriff, dass Richard Wagner mit dem Fliegenden Holländer natürlich sich selbst meinte. Ovationen des Publikums belohnten diese von starkem innerem Feuer getragene Festspielaufführung. Beifallsstürme dankten Albert Dohmen (Bryn Terfel und John Lundgren mussten als Holländer beide absagen).

Alexander Walther

 

Diese Seite drucken